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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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seine Zuhörer, was daran abzulesen war, daß man ihn zunehmend um Vorträge ersuchte. Mehrere landesweite Vortragsagenturen hatten ihn angeschrieben und ihm beträchtliche Honorare dafür geboten, zum Lunch oder Abendessen Reden bei Veranstaltungen zu halten, die bis zu anderthalb Jahren in der Zukunft lagen.
    Er fand diese Korrespondenz höchst befriedigend. »Wie wir erfahren haben, Herr Professor, machen Sie sogar den Tod zu einem äußerst unterhaltsamen Thema« war ein typischer Satz in den Briefen, die er regelmäßig erhielt. Außerdem fand er ihre Reaktion einträglich. Seine Gage für derartige Verpflichtungen belief sich mittlerweile auf dreitausend Dollar plus Spesen, und es gab mehr Angebote, als er annehmen konnte.
    Am Mittwoch war Earls letzte Vorlesung um vierzehn Uhr angesetzt, was ihm heute genug Zeit dafür ließ, seine Rede für einen Frauenklub auszufeilen und seine Post zu erledigen. Ein Brief, den er vor kurzem erhalten hatte, faszinierte ihn so sehr, daß er den Gedanken daran nicht mehr los wurde.
    Ein privater Kabelsender hatte schriftlich bei ihm angefragt, ob er seiner Ansicht nach genug Material habe, eine Serie von halbstündigen Fernsehsendungen über die kulturellen Aspekte des Todes zu machen. Die Vergütung dafür sei möglicherweise nicht erheblich, aber sie hatten darauf hingewiesen, daß ähnliche Programme sich schon für eine Reihe anderer Gastmoderatoren als vorteilhaft erwiesen hätten.
    Genügend Material? dachte Earl sarkastisch, als er seine Füße auf den Couchtisch legte. Natürlich habe ich genügend Material. Totenmasken zum Beispiel, überlegte er. Über diesen Gegenstand habe ich noch nie einen Vortrag gehalten. Die Ägypter und die Römer hatten welche. Die Florentiner begannen sie im späten vierzehnten Jahrhundert herzustellen. Nur wenige Menschen wissen, daß von George Washington eine Totenmaske existiert: seine ruhigen und noblen Gesichtszüge in ewiger Ruhe, ohne jeden Hinweis auf seine schlechtsitzenden Holzzähne, die sein Erscheinungsbild zu Lebzeiten beeinträchtigt hatten.
    Der Trick dabei war, immer ein Element von allgemein menschlichem Interesse miteinzuflechten, damit die Menschen, um die es ging, nicht als Objekte makabrer Neugier, sondern als Menschen wie du und ich empfunden wurden.
    Das Thema der an diesem Abend angesetzten Rede hatte Earl auf viele neue Ideen für weitere Vorträge gebracht. Heute abend würde er natürlich über Trauerkleidung quer durch die Jahrhunderte sprechen. Doch seine Forschungen hatten ihm klargemacht, daß Bücher über Anstandsregeln eine ergiebige Materialquelle darstellten.
    Einige der Maximen von Amy Vanderbilt, die er einfügte, waren ihre ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Ratschläge, zum Schutz der Hinterbliebenen möge man den Klöppel an der Hausklingel abdämpfen und den Gebrauch von Begriffen wie »gestorben«, »Tod« und »getötet« in Beileidschreiben vermeiden.
    Der Klöppel! Die Menschen des Viktorianischen Zeitalters hatten einen Horror davor, lebendig begraben zu werden, und bestanden darauf, daß eine Glocke auf dem Grab aufgehängt wurde, mit einem Faden oder Draht, der durch ein Lüftungsrohr in den Sarg hineingeführt wurde, damit die Person im Inneren läuten konnte, für den Fall, daß er oder sie doch nicht wirklich tot war. Aber dieses Thema würde er, konnte er nicht noch einmal berühren.
    Earl wußte, daß er genügend Material für eine beliebige Anzahl Programme hatte oder aber auftreiben konnte. Er stand kurz davor, berühmt zu werden, überlegte er. Er, Earl, die Witzfigur der Familie, würde es ihnen allen zeigen – diesen rohen Lümmeln von Verwandten, diesen mißratenen Nachkommen eines geistesgestörten, habgierigen Diebes, der sich seinen Weg zum Reichtum mit Betrug und Intrigen erschlichen hatte.
    Er spürte, wie sein Herz heftig zu schlagen begann. Denk bloß nicht an die Kerle! ermahnte er sich. Konzentriere dich auf den Vortrag und auf die Entwicklung von Themen für das Kabelfernsehen. Es gab noch einen anderen Gegenstand, über den er nachgedacht hatte, einen Themenbereich, von dem er wußte, daß er auf ausgesprochen positive Resonanz stoßen würde.
    Zuerst aber … würde er sich einen Drink machen. Nur einen, nahm er sich fest vor, während er einen sehr trockenen Martini in seiner kombinierten Koch- und Eßnische zubereitete. Als er den ersten Schluck zu sich nahm, dachte er darüber nach, daß vor einem Todesfall häufig ein dem Todeskandidaten Nahestehender von

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