Mondlicht steht dir gut
einer Vorahnung heimgesucht wurde, einer Art unguten Gefühls oder Warnung vor dem, was bevorstand.
Als er sich wieder hinsetzte, nahm er seine Brille ab, rieb sich die Augen und ließ den Kopf auf die Lehne der Ausziehcouch sinken, die ihm als Bett diente.
Ein Nahestehender … »Wie ich«, sagte er laut. »Ich stehe Maggie Holloway eigentlich nicht besonders nahe, aber ich habe das Gefühl, daß sie keinem nahesteht. Vielleicht ist das der Grund, daß ich es bin, der die Vorwarnung erhalten hat. Ich weiß, daß Maggie sehr bald sterben wird, genauso wie ich mir letzte Woche sicher war, daß Nuala nur noch wenige Stunden zu leben hatte.«
Drei Stunden später begann er zu dem begeisterten Applaus des Publikums mit einem strahlenden und ein wenig unangemessenen Lächeln seinen Vortrag. »Wir wollen nicht darüber reden, aber wir werden alle einmal sterben. Gelegentlich erhält man noch eine Gnadenfrist. Wir haben alle schon von Menschen gehört, die klinisch tot waren und dann wieder ins Leben zurückgekehrt sind. Doch zu anderen Zeiten haben die Götter gesprochen, und die biblische Prophezeiung ›Asche zu Asche, Staub zu Staub‹ geht in Erfüllung.«
Er legte eine Pause ein, während die Zuhörer an seinen Lippen hingen. Maggies Gesicht beherrschte seine Vorstellung – diese Fülle dunklen Haares, das die feinen, vollkommenen Gesichtszüge umrahmte, die beherrscht wurden von diesen wunderschönen, schmerzerfüllten Augen …
Wenigstens, tröstete er sich, wird sie bald keinen Schmerz mehr verspüren.
31
Angela, die sanfte Hausangestellte, die sie am Tag zuvor eingelassen hatte, zeigte Maggie den Vorratsschrank, wo Nualas Kunstmaterialien aufbewahrt waren. Typisch Nuala, dachte sie voller Zuneigung. Die Sachen lagen ungeordnet in den Fächern aufgestapelt da, aber mit Angelas Hilfe dauerte es nicht lange, alles in Kisten zu verpacken und dann mit der zusätzlichen Unterstützung einer Küchenhilfskraft in Maggies Wagen zu verstauen.
»Mrs. Shipley erwartet Sie in ihrem Apartment«, informierte Angela sie. »Ich bringe Sie jetzt zu ihr.«
»Danke.«
Die junge Frau zögerte einen Moment, während sie sich in dem großen Hobbyraum umschaute. »Wenn Mrs. Moore hier ihren Unterricht hatte, dann haben sich alle so gut amüsiert. Es war ganz egal, daß die meisten von ihnen keine gerade Linie zeichnen konnten. Erst vor ein paar Wochen fing sie damit an, daß sie alle aufgefordert hat, sich an eine Parole aus dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern, diese Art, wie sie überall auf Plakaten herumhingen. Sogar Mrs. Shipley hat dann mitgemacht, obwohl sie doch vorher an dem Tag so aufgebracht war.«
»Warum war sie aufgebracht?«
»Mrs. Rhinelander ist an dem Montag gestorben. Sie waren gut miteinander befreundet. Also jedenfalls habe ich mitgeholfen, die Sachen auszuteilen, und sie haben sich verschiedene Parolen einfallen lassen wie zum Beispiel ›Keep ’em Flying‹, was Mrs. Moore dann skizziert hat – eine Flagge, die hinter einem Flugzeug in der Luft flattert –, und sie haben’s alle nachgezeichnet. Und dann hat irgend jemand vorgeschlagen: ›Don’t Talk, Chum. Chew Topps Gum.‹«
»Das war auch eine Parole? Klingt wie Werbung für Kaugummi.«
»Ja. Alle haben gelacht, aber wie Mrs. Moore dann erklärt hat, war der Spruch, man sollte lieber Topps kauen als reden, in Wirklichkeit eine ernsthafte Ermahnung der Leute, die in der Rüstungsindustrie gearbeitet haben, ja nichts zu sagen, was ein Spion mithören könnte. Es war eine so lebhafte Kunststunde.« Angela lächelte in der Erinnerung daran. »Es war der letzte Unterricht, den Mrs. Moore gegeben hat. Sie fehlt uns allen. Nun ja, jetzt bringe ich Sie aber lieber nach oben zu Mrs. Shipley.«
Greta Shipleys warmes Lächeln bei Maggies Anblick konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine graue Blässe unter ihren Augen und um den Mund herum lag. Maggie fiel auch auf, daß sie sich beim Aufstehen mit der Hand auf der Armlehne des Sessels abstützen mußte. Sie schien müde zu sein und deutlich schwächer als noch nur einen Tag zuvor.
»Maggie, wie wunderhübsch Sie aussehen! Und wie lieb von Ihnen, daß Sie trotz der kurzfristigen Aufforderung gekommen sind«, sagte Mrs. Shipley. »Aber wir haben eine sehr angenehme Gruppe am Tisch, und ich glaube wirklich, daß Sie sich gut unterhalten werden. Ich dachte mir, wir könnten hier erst einen Aperitif zu uns nehmen, bevor wir zu den anderen gehen.«
»Das wäre nett«, stimmte Maggie zu.
»Ich hoffe, Sie
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