Mondmädchen
angemischt worden war, über seine Lippen kam.
Livias Arzt schien allerdings sein Fach zu verstehen. Er bezeichnete sich selbst als Iatros anstelle von Medicus , daher wussten wir, dass er Grieche war. In allen wichtigen Angelegenheiten verließen sich die Römer auf die Griechen.
»Sieh mal, wen ich hier mitgebracht habe!«, verkündete ich am fünften Tag von Ptolis Krankheit.
»Sebi!«, rief er, als er die Katze in meinen Armen erblickte. Meine eigene Katze, die nicht alleine zurückbleiben wollte, folgte uns. Ich wusste nicht, was Livia davon halten würde, dass sich Katzen in ihrem Haus aufhielten, aber es war mir egal. Sebi rollte sich sogleich neben Ptoli zusammen und ich sandte ein Gebet zu Bastet, dass die Göttin ihn, durch unsere Katzen, vor Livia bewahren möge.
Kurze Zeit später kam der Iatros herein und brachte eine flache Holzschüssel voller Blutegel mit, die er Ptoli aufsetzen wollte, um seine Körpersäfte ins Gleichgewicht zu bringen. Ich musste den Kopf zwischen die Knie nehmen, damit mir nicht übel wurde, während er die schleimigen Dinger auf Ptolis nackten Rücken platzierte. Ptoli lachte trotz seiner zunehmenden Schwäche.
»Pass bloß auf, Schwester. Jetzt wo ich weiß, wie sehr du diese kleinen Blutsauger hasst, könnte ich mich ja nachts in deine Kammer schleichen und dir welche aufsetzen, während du schläfst!«, neckte er mich.
»Wage es ja nicht!«, sagte ich und hob den Kopf. »Das ist nicht witzig und ich werde …« Aber da musste ich schon wieder den Kopf senken beim Anblick der glänzenden dunklen Biester, die Schleimspuren auf dem Rücken meines kleinen Bruders hinterließen.
Wenn ich nicht bei Ptoli war, machte ich lange Spaziergänge durch die verschiedenen Gärten und Höfe des Anwesens in der Hoffnung, den jungen Gärtner mit der Isisknoten-Tätowierung wiederzufinden. Ich hatte nichts mehr von ihm noch von irgendjemand sonst gehört und wunderte mich darüber – so sehr, dass ich mich bereits fragte, ob ich die ganze Begegnung nur geträumt hatte.
Eines Nachmittags zwang ich mich, in Octavians Peristylum spazieren zu gehen, dem von Säulen umgebenen Innenhof seines Hauses, da ich hoffte, den geheimnisvollen jungen Kelten dort zu finden. Normalerweise mied ich alle Orte, an denen ich Octavian begegnen konnte, aber ich hatte es bereits in jedem anderen Garten des gesamten Anwesens versucht.
In dem kleinen Wasserbecken aus Marmor schwamm eine weiße Lotosblüte. Blitzartig kam mir das türkis schimmernde Wasser von Mutters geheimem Bad auf der Dachterrasse in den Sinn und wie viel Spaß es mir gemacht hatte, ihr dort eine blaue Lotosblüte zu überreichen. Wie Mutter gelächelt und mit übertriebener Geste daran gerochen hatte, um mir eine Freude zu bereiten. Wie sie mir damals – nur wenige Tage vor ihrer Abreise nach Actium – versichert hatte, dass alles gut werden würde …
Ich versuchte, die Erinnerung abzuschütteln, und fragte mich zugleich, warum mein Feind eine Blume in seinem Garten hatte, die so eng mit Ägypten verbunden war. Ich blickte mich unter der Vielzahl von Pflanztöpfen um, die hier auf engem Raum standen und voller fremdartiger, exotischer Blüten und Blätter waren.
»Bewunderst du unser Werk, junge Dame?«, fragte der Obergärtner, der damals dem keltischen Jungen den Fußtritt verpasst hatte.
»Schön«, gab ich steif zur Antwort.
»Die hier kommen aus Spanien.« Er deutete auf eine leuchtend rosafarbene, dicht gefüllte Blume mit weißen Blatträndern. »Und diese hier kommt aus Gallien.« Er zeigte auf einen dicken Zweig, der gelbe Blüten in einer turmförmigen Anordnung trug.
Da verstand ich. Octavian prahlte hier mittels Blüten, welche Teile der Welt unter seiner Herrschaft standen und dazu gehörte auch Ägypten. Ich seufzte verärgert auf. Aber dann fiel mir ein, dass der Gärtner vielleicht etwas wissen konnte, das mir nützlich war.
»Wo ist der Junge, den ich letzte Woche beim Rosenpflücken gesehen habe?«
Der Mann lachte. »Ich habe viele Jungen, die für mich Rosen pflücken! Welchen meinst du?«
»Er …« Ich wollte schon sagen, dass er das Bild des Isisknotens auf dem Handgelenk trug, doch ich konnte mich gerade noch rechtzeitig bremsen. »Der keltisch aussehende Junge, der junge Mann mit den Sommersprossen«, fing ich an.
»Ach, und warum willst du das wissen?«, ertönte eine laute Stimme hinter mir und ich erschrak.
Marcellus. Er grinste über mein überraschtes Gesicht. »Ich dachte, ich hätte eine Nymphe
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