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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Wärme seines Lächelns und das Leuchten in seinen Augen. Wir diskutierten über den langen und kostspieligen Prozess, die Schriftrollen zur weiteren Verbreitung kopieren zu lassen, und über seine Pläne für zukünftige Bücher. Ptoli wachte dabei trotz unserer Begeisterung nicht ein einziges Mal auf. Und wir beide taten so, als hätte es meinen ungeschickten Versuch, ihn zu küssen, nie gegeben.
~  Kapitel 27  ~
    »Gib ihm dieses Wasser nicht!«, befahl der Arzt.
    Ich zuckte bei seinem scharfen Tonfall zurück. »Aber er hat doch solchen Durst!«, rief ich aus.
    »Bitte«, sagte Ptoli und leckte sich die aufgesprungenen Lippen. »Nur einen kleinen Schluck.«
    Der Iatros runzelte die Stirn. »Ich habe ihm gerade eine Tinktur aus Mutterkraut gegeben und will nicht, dass sie verdünnt wird, bevor sie wirken kann.«
    »Nur einen kleinen Schluck?«, wiederholte ich, weil es mir schwerfiel, Ptoli leiden zu sehen.
    Der Iatros seufzte, als würde man ihm Großes abverlangen. »Von mir aus, aber nicht zu viel.«
    Ich hielt meinem Bruder das mit Honig gesüßte Wasser an die Lippen und stützte seinen Kopf, während er die Augen schloss. Ptoli ging es kontinuierlich schlechter. Das Fieber hielt an und seine Widerstandskräfte schwanden. Ich bemühte mich, nicht darauf zu achten, wie sehr alleine das Trinken ihn anstrengte.
    »Das reicht!«, sagte der Arzt.
    Widerstrebend zog ich den Becher fort.
    »Mehr!«, flüsterte Ptoli.
    Der Arzt sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Aber ich musste den Durst meines kleinen Bruders einfach stillen. Ich konnte den Anblick seiner eingefallenen Augenhöhlen und der ausgedörrten, schuppigen Haut um seine Lippen herum nicht ertragen. Zum tausendsten Mal wünschte ich, Olympus, unser königlicher Leibarzt aus Alexandria, wäre hier, um mir zu helfen.
    Während ich Ptoli seinen Becher austrinken ließ, machte der Iatros auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Dabei murmelte er auf Griechisch vor sich hin: »Wie kann man hier seine Arbeit machen, wenn dieses aufdringliche Kind sich ständig einmischt!«
    Er hatte wohl vergessen, dass Griechisch unsere Muttersprache war. Ich wusste, dass er sich bei Livia beschweren würde, vor allem weil ich ihm nicht erlaubt hatte, Ptoli noch einmal zur Ader zu lassen. Ich wollte nicht weiter mitansehen, wie mein Bruder unter der Behandlung des Arztes immer schwächer und schwächer wurde.
    »Danke, Schwester«, flüsterte Ptoli, als ich den Becher absetzte.
    Zosima hatte eine Salbe aus Bienenwachs und Kamillenöl gemacht. Ich tauchte meinen Finger in das kleine Tongefäß und strich die Mischung auf Ptolis Mund. Dabei fuhr ich immer wieder mit dem Finger die blassen und schuppigen Konturen nach, als könnte ich nur durch diese Wiederholung die süße, rosige Fülle seiner Kinderlippen wiederherstellen.
    »Erzähl mir noch eine Geschichte«, murmelte er.
    Je schwächer Ptoli wurde, desto mehr wollte er über unser Leben in Alexandria hören. Es war, als ob meine Geschichten aus Ägypten ihn nicht mehr losließen, wie Bruchstücke eines schönen Liedes, an das er sich fast, aber nicht ganz erinnern konnte.
    »Welche denn?«
    Ptoli durchlief ein Zittern, er drehte sich auf die Seite und zog die Knie an die Brust. »Mir ist so kalt«, murmelte er.
    Ich blickte hinter mich zur Tür, durch die der Arzt soeben gegangen war. Er hätte mir vermutlich gesagt, ich dürfte keine weiteren Decken zu dem dünnen Wollüberwurf hinzufügen, mit dem er bereits zugedeckt war, weil sein Frieren wahrscheinlich daher kam, dass die Tinktur anfing zu wirken. Wieder zitterte Ptoli und ich spürte, wie sich der Trotz in mir regte. Er konnte doch nicht erwarten, dass ich mich einfach zurücklehnte und zusah, wie mein kleiner Bruder litt. Nachdem ich meine Sandalen ausgezogen hatte, kletterte ich zu ihm auf das Liegesofa, schmiegte mich an seinen Körper und rieb mit den Händen über die Gänsehaut an seinen Armen. Ich konzentrierte mich ganz darauf, ihn mit meinem Körper zu wärmen, und nach ein paar Minuten hörte auch sein Zähneklappern auf.
    Ich fuhr mit den Fingern über die kratzige Wolle. Unsere Katzen, Sebi und Tanafriti, hörten auf meinen Ruf und sprangen auf die Liege. Eine rollte sich an seiner Brust, die andere um seinen Kopf zusammen. Ich spürte, wie sich seine Muskeln entspannten, während unsere Wärme in seinen Körper drang.
    »Noch ’ne Geschichte«, verlange Ptoli nun wieder, und mein Herz machte einen Satz, weil er sich so jung anhörte, noch

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