Mondmädchen
geschlossenen, wächsernen Augenlider meines kleinen Bruders. Mein Herz raste vor neuer Erkenntnis und Hoffnung.
Juba rührte sich, setzte sich gerade hin und rieb sich den Nacken. »Kleopatra Selene? Ist alles in Ordnung mit dir?«, flüsterte er. »Willst du, dass ich dir auch ein Lager bereite? Der Boden kann ja nicht besonders bequem sein.«
Ich schüttelte den Kopf und rieb mir die Wange. Der Steinboden hatte kleine Abdrücke darauf hinterlassen. Ich rückte näher zu Juba. »Willst du mir helfen?«
»Natürlich«, sagte er. »Was immer es ist.«
Ich schaute ihn im flackernden Schein der fast heruntergebrannten Fackel im Gang draußen an. Erschöpfung und Schmerz hatten sich in sein Gesicht gegraben – eine Erinnerung daran, dass auch andere Menschen um meinen kleinen Bruder trauerten. »Ich kann nicht zulassen, dass sie ihn verbrennen«, sagte ich. »Wir müssen die heiligen Riten vollziehen.«
»Da stimme ich dir zu. Aber keiner konnte Caesar bislang dazu überreden.«
»Du hast es auch versucht?«, fragte ich überrascht.
Er nickte. Wie treu sich Juba für mich und meine Brüder einsetzte! Ich brauchte einen Augenblick, bis ich weitersprechen konnte.
»Ich brauche deine Hilfe bei der Beschaffung von …« Ich hielt inne und überlegte, wie ich diese Bitte vorbringen konnte, ohne ihn zu schockieren oder abzustoßen. »Würdest du mir helfen und …«
Juba beugte sich vor. »Was immer du brauchst, Kleopatra Selene. Du musst es nur sagen.«
Ich holte tief Luft.
»Ich brauche das Blut eines schwarzen Hundes.«
~ Kapitel 29 ~
Juba erschrak. »Was?«
»Frisches Blut von einem gerade erst getöteten schwarzen Hund«, wiederholte ich.
Er schüttelte den Kopf und machte große Augen. »Kleopatra Selene«, flüsterte er. »Ich fürchte, jetzt wirst du langsam verrückt.«
»Nein, werde ich nicht. Ich schwör’s dir.«
Mit einer Hand strich er die losen Haarsträhnen aus meinem Gesicht und ließ dann die Hand auf meiner Wange liegen. Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen ihn, verschmolz mit seiner Berührung. »Oh, Kind«, flüsterte er. »Du kannst doch nicht …«
Ich fuhr zurück, als hätte er mich geohrfeigt. Kind – schon wieder? Ich war kein Kind mehr, das wusste ich jetzt. Meine Seele fühlte sich so alt und vertrocknet an wie das Rote Land unserer ägyptischen Wüsten.
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte ich in hartem Ton. »Ich kann es nicht selbst tun, deswegen musst du es für mich erledigen.«
»Aber wozu brauchst du so etwas?«
»Um Octavian davon zu überzeugen, dass wir Ptolis Leichnam auf die richtige Art und Weise bestatten müssen.«
»Und wie beim Hades kann dir das Blut eines Hundes dabei helfen?«
»Ich brauche es für ein Ritual«, erklärte ich. »Eines, das mir die Priesterin der Isis in Ägypten gezeigt hat.«
Als Juba noch immer nichts sagte, versuchte ich es noch einmal. »Ich habe Schmuck von meiner Mutter, den Zosima für mich versteckt hat, bevor wir Ägypten verlassen haben«, sagte ich. »Den könnte ich dir im Austausch für das geben, was ich benötige.«
Juba schüttelte den Kopf. »Es geht nicht um Geld. Ich verstehe einfach nicht, warum …«
»Bitte, Juba«, bettelte ich. »Ich bin nicht verrückt, aber ich fürchte, ich könnte es werden, wenn mir mein Vorhaben nicht gelingt. Die Priesterin der Isis hat mir gesagt, dass ich es brauchen würde, um die Söhne Ägyptens zu retten. Ptoli ist ein Sohn Ägyptens. Verstehst du nicht? Die Göttin wusste, dass ich es einmal brauchen würde! Sie ist meine Retterin, meine Beschützerin. Ich muss ihre Wünsche erfüllen.«
Juba ließ den Blick rasch zu Alexandros hinübergleiten, der sich im Schlaf bewegt hatte. »Aber du wirst keinem damit schaden, oder? Es ist für Ptoli?«
»Nein, ich werde niemandem schaden. Und ja, es ist für Ptoli!«
»Bei den Göttern, wo kann ich nur das Blut eines schwarzen Hundes auftreiben?«, sagte Juba daraufhin und hob eine Hand. »Egal. Für den richtigen Preis lässt sich in Rom alles beschaffen. Was noch?«
Ich schloss die Augen, um mich besser erinnern zu können. »Einen Stoßzahn aus Elfenbein, in den die Bildnisse meiner Götter geschnitzt sind, die ihre Feinde vernichten. Und einen Pinsel aus Ziegenhaar.«
Juba atmete hörbar aus. »Du machst es mir ja nicht gerade leicht, was? Aber ich habe Freunde, die insgeheim Anhänger der Göttin sind. Sie werden mir helfen.«
»Wir haben nicht viel Zeit. Ich muss das Ritual so bald wie möglich durchführen,
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