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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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ein guter Trick.« Und er hatte funktioniert. Von diesem Augenblick an hatte ich meinen kleinen Bruder mit derselben Inbrunst geliebt, mit der ich ihn zuvor wegen seines lauten Gebrülls gehasst hatte.
    Ptoli sagte nichts mehr, und ich dachte, er wäre eingeschlafen. Ich schob mich hoch, um nachzusehen. Seine Augen waren geschlossen. Ich konnte die zarten blauen Äderchen auf seinen Augenlidern sehen.
    »Geh nicht weg«, flüsterte er und bewegte dabei kaum die blassen Lippen.
    Ich legte mich wieder hin.
    »Kle-Kle?«
    »Hmmm?«
    »Ich vermisse Nafre.«
    Ich schloss die Augen, als ich den Schmerz in seiner Kinderstimme hörte. »Ich weiß.«
    »Lass mich nicht allein«, flüsterte er. »So wie … Mutter und Nafre.«
    Mein Herz machte einen Satz. Ich schmiegte mich an ihn, umgab ihn mit meinem Körper, ließ all meine Zuneigung und Liebe in ihn hineinfließen, so als könnte ich ihn auf diese Weise von außen auch innerlich trösten. »Ich werde dich niemals verlassen, mein kleiner Bruder«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Niemals.«
    Ich muss wohl eingeschlafen sein. Das Licht war seltsam, so als wäre ein Frühlingsgewitter über uns hinweggezogen. Ich fragte mich, ob der Regen die Luft abgekühlt hatte. War mir deswegen so kalt? Ich schmiegte mich enger an Ptoli.
    Mein Herz schlug schneller. Jemand beobachtete mich. Ich hob den Kopf und schaute in die Mitte der Raumes. Die Augen der Katzen – glitzernd, konzentriert, eindringlich – waren mit einer Ernsthaftigkeit auf mich gerichtet, die mir den Atem stocken ließ. Sebi und Tanafriti saßen da wie zwei Statuen in einem Grab. Wachposten. Bruder und Schwester Katze, Wachen vor dem Reich des Osiris.
    Ich setzte mich auf. Unsere Katzen warteten darauf, dass ich erkannte, was sie bereits wussten. Aber ich weigerte mich, ihnen zu glauben.
    Ich schüttelte Ptoli, flehte ihn an aufzuwachen, versuchte seine kalte Haut mit meinen Händen zu wärmen, redete mir ein, dass das Blau um seine Lippen nur dem schwindenden Licht geschuldet sei. Die stummen Katzen waren Zeugen meines Entsetzens, so als bewachten sie das Portal für das Ka , das den Körper meines kleinen Bruders bereits verlassen hatte.
    Mein süßer Ptoli, ich habe dir geschworen, dich nie zu verlassen, aber warum, WARUM, habe ich dich nicht schwören lassen, dass du mich nicht verlässt?
~  Kapitel 28  ~
    Ich blieb bei Ptoli und weigerte mich, meine Arme von seinem erkalteten Körper zu lösen. Hände und Stimmen versuchten, mich von ihm wegzuziehen, aber ich rührte mich nicht von der Stelle.
    Schließlich befreite mich Zosima aus diesem Albtraum. Sie redete mit sanfter Stimme mit mir, so als wäre ich ein Kleinkind am Rande eines Abgrunds. Sie sagte: »Wir wollen ihn für die Priester des Anubis vorbereiten. Lass uns deinen Bruder wie einen echten ägyptischen Prinzen ankleiden.«
    Sie brachte mir Wasser, das mit Lotosöl parfümiert war, und ich wusch seinen Leichnam. Ich legte seine Arme und Beine gerade hin, kämmte seine Locken und zog ihm Alexandros’ alten ägyptischen Faltenrock an, seinen Brustschmuck und einen Umhang aus Leinen. Ich nahm sein kleines, kaltes Haupt in die Hände und setzte ihm einen Kranz aus Rosmarin und Lorbeer auf – anstelle des goldenen Diadems, das Octavian schon seit Langem eingeschmolzen hatte, um die Soldaten zu bezahlen, mit deren Hilfe er meine Familie vernichtet hatte.
    Zosima und Alexandros halfen mir, duftende Blüten und kleine Töpfe voll Räucherwerk um seine Totenbahre herum zu arrangieren. Jemand hängte Pinien- und Zypressenzweige um den Türrahmen, eine römische Tradition, die, wie ich später erfuhr, zeigen sollte, dass dieser Raum vom Tod gezeichnet war.
    Obwohl ich mich nicht erinnern konnte, wann sie hereingekommen war, wich auch Octavia nicht von Ptolis Seite. Es schien, als würde die Trauer sie genauso zerreißen. Schluchzend war sie zu seinen Füßen zusammengesunken. In diesem Moment fühlte ich mich ihr noch viel stärker verbunden als zuvor. Sie hatte erkannt, wie besonders Ptoli war. Auch sie hatte ihn sehr geliebt.
    Ptolis Ka schwebte noch ganz in der Nähe, das spürte ich. Es würde keine Ruhe finden, bevor wir nicht alle Riten des Anubis vollführt hatten, so wie wir es für unsere Eltern und Caesarion getan hatten. Nur so konnte Ptoli mit ihnen in der Nachwelt wiedervereint werden.
    »Ich werde dich nicht im Stich lassen«, versprach ich. »Ich werde einen Weg finden, dich gemäß unserer heiligen Traditionen zu bestatten.«
    Octavian hatte

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