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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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die endlosen Tiefen eines Brunnens hineingerufen: Du hast dich Caesar entgegengestellt und hast gewonnen.
    … dich Caesar entgegengestellt …
    … und gewonnen.

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T eil III : R om
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~  Kapitel 31  ~
    In dem Jahr, welches das 25. Jahr der Regentschaft
meiner Mutter gewesen wäre
Noch immer in meinem 15. Jahr
26 v.d.Z.
    Ganz gleich, wie oft ich seine Grabstätte besuchte, nie konnte ich mich an den Anblick von Ptolis herzzerreißend kleiner Mumie gewöhnen. Es schien unmöglich, dass sein lautes, strahlendes, lebhaftes Wesen jemals in dieser winzigen Hülle gewohnt haben sollte, die jetzt noch von ihm übrig geblieben war.
    Ptolis Mumie lag mit dem Blick nach Osten, um die aufgehende Sonne zu begrüßen, die jeden Morgen wiedergeboren wurde, genau wie er im Jenseits wiedergeboren worden war. Magische Sprüche in farbigen Hieroglyphen auf den Seiten seines hölzernen Sarkophags sorgten für seine sichere Reise dorthin. Sein Bild war auf glattes, lackiertes Zedernholz gemalt und über den Leichnam in dem Sarkophag gelegt worden. Der Maler hatte zwar nicht das spitzbübische Blitzen in seinen Augen oder die Kraft, die von seinem stämmigen Körper auszugehen schien, einfangen können. Aber die Ähnlichkeit – die dunklen Locken, die großen braunen Augen, die Andeutung eines leicht schiefen Lächelns – war doch recht groß.
    Ich verbrannte Weihrauch und sprenkelte geweihtes Nilwasser – das mit jedem Schiff aus Alexandria zum Tempel gebracht wurde – um seinen Körper. Dann legte ich duftende Blüten auf das Opfertischchen. Und dann …
    »Zu Ehren meines ersten Besuches in meinem fünfzehnten Jahr«, verkündete ich Ptoli und packte dabei schwungvoll ein Leinenbündel aus, »bringe ich dir deine Lieblingssüßigkeiten!« Ptoli hatte immer eine Schwäche für Süßes gehabt, ganz besonders für Mandelkuchen. Ich lächelte bei der Erinnerung daran, wie sich seine Backen ausgebeult hatten, wenn er sich mal wieder mit einem einzigen Biss so viel Kuchen wie möglich in den Mund gestopft hatte.
    Auch wenn mein letzter Besuch erst wenige Tage zurücklag, fing ich doch – genau wie immer – an, Ptoli von den Ereignissen auf dem Anwesen zu berichten.
    »Octavian hat sich von seiner jüngsten Krankheit erholt«, fing ich an. Der Beherrscher der Welt klagte ständig über Magenbeschwerden und Atemnot. »Livia braut andauernd neue Heiltränke, die er probieren soll. Ich hoffe«, fügte ich flüsternd hinzu, »dass sie ihre Rezepte durcheinanderbringt und ihn aus Versehen vergiftet! Manchmal habe ich das Gefühl, dass Livia mich beobachtet, und ich bin sicher, dass sie mir Böses wünscht. Warum sie nicht noch einmal versucht hat, Alexandros und mich aus dem Weg zu räumen, ist mir ein Rätsel. Ich bin überzeugt, dass etwas – oder jemand – sie daran hindert.« Ich roch an einer Lotosblüte. »Ich vermute, kleiner Bruder, dass es Octavia ist. Ich weiß schon, dass ihre dauernde Bemutterung dir lästig war, aber sie ist und bleibt der einzige Mensch im ganzen Haushalt, vor dem Livia Respekt hat.«
    Ich erwähnte nicht, dass Octavia von ihm auch weiterhin als von »ihrem kleinen Marcus« sprach, denn ich wusste, dass es seinem Ka nicht gefallen würde.
    »Alexandros verbringt viel Zeit mit Schreiben, aber er zeigt mir seine Werke nie. Ich frage mich, ob er wohl Liebesgedichte schreibt, obwohl er sich nicht anmerken lässt, wer es ihm angetan haben könnte.«
    Alexandros hatte sich seit Ptolis Tod noch mehr in sich zurückgezogen, was mir großen Kummer bereitete. Manchmal, so wie an jenem Tag, konnte ich ihn nicht einmal dafür gewinnen, mich zu Ptolis Grab zu begleiten. Aber es war nicht gut, das Ka an den Schmerz zu erinnern, den das Dahinscheiden bei den Lebenden verursachte, also sagte ich nichts.
    Ich erwähnte auch nicht, dass Alexandros sich ständig über meine Pläne lustig machte, dass wir nach Ägypten zurückkehren würden. Einmal ging er sogar in ganz ungewöhnlichem Zorn auf mich los.
    »Hör endlich auf!«, hatte er gezischt. »Das wird nie geschehen. Die Götter haben uns im Stich gelassen. Ich will nie, nie mehr diesen Unsinn von dir hören. Hast du verstanden?«
    Dann war er davongestürmt, während ich ihm hinterherstarrte und mich fühlte, als hätte er mich gegen die Brust gestoßen.
    Ich schüttelte die Erinnerung ab. »Marcellus verbringt mehr und mehr Zeit mit Octavian, wodurch Tiberius nur noch bösartiger wird«, fuhr ich fort. »Ich bin sicher, dass es Livia wurmt, dass alle – nicht

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