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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Handklappern im Takt ihres Singsangs ertönen. Lotosblüten schwammen in goldenen Schalen. Wandmalereien im ägyptischen Stil erzählten die Geschichte von Isis’ Kummer und Osiris’ Auferstehung.
    Eine Frau in einem Leinengewand in ägyptischem Blau – der Farbe des Lebens und der Wiedergeburt – trat wie durch Zauber aus den Rauchschwaden hervor. »Seid willkommen, Kinder des Ra«, sagte sie mit leiser und wohltönender Stimme und verbeugte sich vor uns. »Ich bin Isetnotfret, die Priesterin der Isis von Capua.«
    Isetnotfret . Isis ist schön. Mir schnürte sich die Kehle zusammen beim Klang ihres Namens. Schon seit Jahren hatte ich mir gewünscht, der Priesterin persönlich zu begegnen, aber ich hatte mir nie träumen lassen, dass es unter diesen Umständen geschehen würde. Obwohl sie mit ihrer olivfarbenen Haut und den langen, lockigen Haaren eher griechisch als ägyptisch aussah, war es, als würde Amunets Stimme durch sie sprechen. Ich wollte mich in ihre Arme werfen und diesen Ort, der mich so sehr an Zuhause erinnerte, nie mehr verlassen.
    Aber natürlich tat ich nichts dergleichen. Nach unserer förmlichen Begrüßung – während der sie Isis anrief und uns aufforderte, uns mit unserer Trauer der Göttin der Liebe und der Hoffnung anzuvertrauen – wies sie uns an, ihr in das innere Heiligtum des Tempels zu folgen. Juba, der uns auf dieser Reise begleitete, trug Ptolis verhüllten Leichnam hinter uns hinein.
    Nach der rituellen Waschung unserer Hände mit Nilwasser, das aus einer goldenen Hydria gegossen wurde, führte sie uns zum Eingang des Ibw – dem Ort der Reinigung –, wo die Mumifizierung von Ptolis Leichnam vollzogen werden würde. Ein Prozess der sich über mehr als zwei Monate hinziehen würde. Der Oberpriester der Isis trat vor und verbeugte sich, sein rasierter und geölter Kopf glänzte in dem von Fackeln beleuchteten Durchgang, seine Augen waren mit schwarzem Kajal umrahmt. Er trug schwarze Gewänder in der Farbe des Todes. Zwei Priester des Anubis mit bloßem Oberkörper und riesigen Schakalmasken standen rechts und links von ihm. Ein Gehilfe nahm Juba Ptolis verhüllten Leichnam ab und legte ihn auf den großen Tisch in der Mitte der Kammer.
    Die maskierten Priester des Anubis traten vor uns und verschränkten die Arme vor der Brust – eine symbolische Geste, die uns daran erinnern sollte, dass wir noch zu den Lebenden gehörten. Wir durften unserem Bruder nicht in das Heiligtum folgen. Beim Anblick ihrer Furcht einflößenden Masken musste ich an Ptolis Reaktion denken, als er sie während der Begräbniszeremonie für unsere Mutter gesehen hatte – wie er sich voller Angst an mich geschmiegt hatte.
    Die Priesterin bedeutete uns, ihr zu folgen. Ich spürte, wie sich Alexandros neben mir bewegte, doch ich konnte es nicht. Ein beklemmendes Gefühl der Angst stieg in meinem Inneren hoch. Ptoli sah so klein und verloren aus auf dem großen Tisch. Die Anubismasken jagten ihm Angst ein! Wussten sie das denn nicht? Wer sollte ihn trösten? Ich konnte ihn hier nicht so allein unter lauter Fremden lassen.
    Isetnotfret legte den Arm um mich, doch ich rührte mich noch immer nicht von der Stelle. »Komm«, flüsterte sie und ich nahm den süßen, würzigen Geruch von Lotosöl und Myrrhe, den Duft Ägyptens, wahr. »Du hast einen Prinz von Ägypten bewahrt, indem du seinem Ka einen Ort gegeben hast, an dem es in alle Ewigkeit sein kann«, murmelte sie.
    »Aber ich habe ihm versprochen, ihn nie zu verlassen«, flüsterte ich.
    »Und dieses Versprechen hast du gehalten. Ich habe von unseren Getreuen in Caesars Anwesen gehört, welchen Kampf du mit ihm ausgetragen hast, um dafür zu sorgen, dass das Ka deines Bruders überleben kann.«
    War es das gewesen – ein Zweikampf? Sie nahm mich bei der Schulter und drehte mich zu sich um, sodass ich Ptoli und den maskierten Priestern nun den Rücken zuwandte. »Siehst du, wie die Macht der Isis durch dich gewirkt hat? Du hast dich Caesar entgegengestellt und hast gewonnen. Die Göttin hat dich nicht verlassen. Sie wird die Ma’at in Ägypten wiederherstellen und dich auf den Thron bringen, so wie es die Götter vorherbestimmt haben. Aber du musst Geduld haben«, fügte sie hinzu. »Der Zeitplan der Göttin gleicht nicht dem unseren.«
    Ich ließ mich von ihr wegführen. Und obwohl Trauer und Verwirrung mich in den folgenden Monaten nie verließen, blieb mir doch ein Satz im Gedächtnis haften. Er hallte in mir wider, als hätte die Priesterin ihn in

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