Mondmädchen
Menge verschwunden. Ein weiterer Mann schlüpfte gerade unter dem Vorhang eines der Verschläge hervor, auf die der andere gezeigt hatte, und rückte sich den Gürtel seiner Tunika zurecht.
»Bei den Göttern!«, murmelte ich. »Wie konnte der Mann auf die Idee kommen, ich sei eine Prostituierte?«
»Weil du nichts getan hast, außer dort dekorativ herumzusitzen«, sagte Juba.
»Was?«
»Die Frauen an dem Brunnen holen Wasser oder waschen etwas. Sie sind beschäftigt, haben zu tun, arbeiten. Aber du hast dagesessen und in die Gegend geschaut und den Anschein erweckt, als stündest du zum Verkauf.«
»Aber das ist unerhört!«, rief ich. »Ich habe doch nur gewartet …«
»So ist das nun mal in der Subura. Komm jetzt, lass uns woanders hingehen. Ich habe gehört, dass es hier irgendwo einen Stand gibt, der die besten gefüllten Kichererbsenpfannkuchen macht.«
»Nein«, sagte ich. »Ich muss hier warten.«
»Auf wen wartest du denn?«, fragte er. »Das hast du mir noch gar nicht verraten.«
Ich blickte mich um, ohne zu antworten.
»Warum kannst du es mir nicht sagen?«, fragte Juba.
Plötzlich dachte ich: Was ist, wenn die Person sich mir nicht nähern kann oder will, während Juba in meiner Nähe ist? »Es wäre mir wirklich lieber, wenn du jetzt gehen würdest«, sagte ich.
»Meine liebe Kleopatra Selene. Meinetwegen muss dir das nicht unangenehm sein«, sagte er lachend. »Aber ich kann jetzt nicht gehen, weil ich zu neugierig bin. Wer ist diese geheimnisvolle Person, mit der du dich hier treffen willst?« Er grinste und verschränkte die Arme.
Als ich auch weiterhin keine Antwort gab, wurde er plötzlich ernst. »Halt mal, du triffst dich doch hier nicht etwa mit einem Liebhaber ? Willst du deswegen unbedingt, dass ich verschwinde?« Er trat einen Schritt näher. »Es ist doch nicht Marcellus, oder? Aber warum solltest du dich hier mit ihm treffen? Und wenn er es nicht ist, wer ist es dann?«
Ich schwieg. Sollte er doch denken, ich hätte einen Liebhaber. Besser so, als wenn er die Wahrheit entdecken würde.
»Bist du verrückt?«, sagte Juba. »Du kannst doch nicht …«
»Natürlich kann ich. Warum siehst du mich immer noch als Kind?«
Auf seinem Gesicht wechselten Erschrecken und Verblüffung und etwas, das ich nicht recht deuten konnte. »Aber … ich dachte … ich wollte …« Er hielt inne. »Wie ernst ist es denn?«
Was immer ich sagen wollte, wurde von den Rufen einer Gruppe von Soldaten übertönt, die plötzlich auf den Platz mit dem Brunnen gestürmt kamen.
»Da!«, sagte ein Offizier, und die Männer verteilten sich unter dem donnernden Getrampel ihrer genagelten Stiefel, um eine Gruppe von Menschen einzukesseln. Frauen kreischten. Hühner gackerten und plusterten empört ihre Federn auf. Männer fluchten auf Lateinisch, Persisch, Gallisch und in anderen unvertrauten Sprachen.
»Was ist hier los?«, flüsterte ich.
»Ich weiß es nicht«, sagte Juba.
»Hab sie!«, verkündete einer der Soldaten.
Die Menge teilte sich und die Leute eilten voller Angst davon. Die Soldaten hielten eine widerspenstige alte Frau und einen jungen Mann mit kahlrasiertem Kopf fest. Ich erschrak. Es waren die beiden, die mit mir gemeinsam im Tempel die Initiation vollzogen hatten. Sie waren gewiss diejenigen, die ich hier treffen sollte.
»Habt ihr auch den aus Caesars Haus?«, rief der Offizier.
»Das ist der hier!«, antwortete der Soldat, der den sich windenden jungen Mann festhielt.
»Nein, du Idiot!«, zischte der Offizier. »Sie sollten sich hier mit einem von Caesars eigenen Leuten treffen! Den sollen wir ergreifen – den Verräter aus seinem eigenen Haus!«
~ Kapitel 39 ~
Mein Herz schlug wie wild. War das etwa eine Falle? Um mich zu fangen? Wie … wie konnte Octavian von der Verschwörung erfahren haben? Glücklicherweise schienen sie nicht zu wissen, dass ich es war – nur dass es jemand aus Caesars Haushalt sein musste. Hatte er den Diebstahl seines Siegelzeichens bemerkt? Mir stockte der Atem.
Ich schaute zu der alten Frau hinüber, die ihre langen grauen Haare unter einer Kapuze versteckt hatte. Sie wirkte gefasst, ganz im Gegensatz zu dem jungen Mann, der sich mit verzerrtem Gesicht vergeblich abmühte, sich dem Griff des Soldaten zu entziehen.
»Mit wem wolltest du dich hier treffen, du alte Hexe?«, fuhr der Offizier die alte Frau an. Als sie keine Antwort gab, ohrfeigte er sie.
»Wir müssen ihnen helfen!«, zischte ich. Eine Menschenmenge hatte sich um die Soldaten
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