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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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hier in Alexandria.«
    Alle seine Männer hatten ihn verlassen? Bei den Göttern! Der arme Tata. »Und wie geht es ihm? Wo ist er jetzt?«
    »Er ist noch immer in Libyen. Aber obwohl dein Vater nicht kämpfen kann, hat deine Mutter noch nicht alle Hoffnung aufgegeben. Sie hatte geplant, uns alle zu retten und mit dem Schiff nach Indien zu segeln.«
    »Du meinst, wir würden Alexandria und Ägypten Octavian überlassen?« Ich stand auf. Unmöglich. »Mutter würde niemals Ägypten im Stich lassen. Und auch ich würde das nie tun!«
    »Nein, nicht im Stich lassen. Das war alles Teil des Planes, verstehst du. Sie hatte gehofft, dass Octavian die Stadt nicht zerstören würde, wenn das Herrscherhaus Alexandria verlassen hätte. Dann würde sie mit ausreichend Geld und Zeit versuchen, zu einer Einigung mit ihm zu kommen, und vielleicht selbst im Exil bleiben, sodass Caesarion an ihrer Stelle regieren würde.«
    Dass Mutter, dass wir alle im Exil leben sollten, anstatt in unserem geliebten Ägypten – unvorstellbar! Es den Römern zu überlassen, damit sie sich wie die Geier darüber hermachten. Mich schauderte und ich ließ mich schwer auf die Bank zurücksinken. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht begriffen, wie ernst unsere Lage war.
    »Und warum können wir ihren Plan nicht ausführen?«
    »König Malchus von Nabatäa hat ihre gesamte Flotte verbrannt. Wir können nicht über das Mittelmeer segeln, das jetzt ganz unter der Kontrolle von Octavian steht. Deswegen hat deine Mutter ihre Schiffe über Land in Richtung des Roten Meeres ziehen lassen. Von dort wollten wir nach Indien segeln. Aber die Nabatäer wollten sich bei Octavian einschmeicheln und haben die Flotte abgefangen und alle Schiffe zerstört. Deine Mutter hat heute erfahren, dass ihre Fluchtpläne im Wüstensand verbrannt sind.«
    »Aber Octavian hat doch Mutter den Krieg erklärt, nicht wahr? Wenn sie also abdankt, dann wird er uns doch in Ruhe lassen, oder?«
    Charmion schnaubte verächtlich. »Octavian will genau zwei Dinge: Den Tod deines Vaters und den Reichtum Ägyptens. Schon seit Jahrzehnten warten gierige Römer nur auf eine Chance, sich Ägypten einzuverleiben. Und jetzt hat er einen Vorwand, genau das zu tun. Und deswegen war es, als Hekate deine Mutter angegriffen hat, fast so, als würde Bastet selbst sich gegen sie wenden.«
    Ich schauderte, während sich ein Gefühl von Bedrohung in meinem Körper ausbreitete. Wir saßen eine Weile schweigend da, während die kleine Flamme des Öllämpchens im gelegentlichen Windstoß von See her flackerte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Als der Himmel heller wurde, wandte ich mich um und bemerkte eine junge Gazelle, die mit einer leuchtend roten Hibiskusblüte im Maul in unsere Nische kam. Bei unserem Anblick hielt das zahme Tier inne.
    »Nicht bewegen«, flüsterte Charmion. »Amisi«, rief sie mit leiser Stimme. »Hab keine Angst. Wir tun dir nichts.«
    »Amisi?« Das ägyptische Wort für Blume schien mir ein seltsamer Name für eine Gazelle zu sein.
    Charmion pflückte noch eine Hibiskusblüte von dem Busch neben sich und hielt sie dem Tier hin. »Ja«, flüsterte sie lächelnd. »So nennen wir ihn, weil er nur Blüten frisst. Amisi hat eine solche Vorliebe für Blüten, dass er den Blütensammlern bis in den Palast hinein hinterherläuft, während er aus ihren Körben frisst.«
    Ich lächelte bei der Vorstellung.
    Und Amisi kam wirklich getreu seines Namens auf Charmions ausgestreckte Hand zu. Ich beobachtete, wie die ersten Sonnenstrahlen durch die Palmwedel drangen und das Fell auf seinem Rücken erleuchteten, das die schöne Farbe von Wüstensand hatte und von seinem weißen Bauch durch einen Streifen schwarz wie Ebenholz getrennt war.
    Was wird mit dir geschehen, Kleiner, wenn die Römer kommen? , überlegte ich und schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter. Was wird mit uns allen geschehen?

~  Kapitel 8  ~
    Im 21. Jahr der Regentschaft meiner Mutter
In meinem 11. Jahr
30 v.d.Z.
    Nachdem er von fast jedem Römer, den er kannte, verraten worden war, kehrte mein Vater als gebrochener Mann nach Alexandria zurück. Er schien zermürbt, erschöpft, seine Muskeln wirkten nicht mehr kraftvoll, sondern nur noch klobig, seine Locken waren grau gesträhnt anstatt schwarz glänzend. Mein verzweifelter Tata war ein General ohne Armee, ein Römer ohne Rom.
    Tata hatte wenig Zeit oder Interesse für uns, seine Kinder. Ich sehnte mich so sehr nach seinem lauten Lachen und den wilden Spielen,

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