Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf.
    Mutter starrte ihn an. »Dann trink«, befahl sie und bedeutete mit einem Wink, dass der Becher vom Boden aufgehoben werden sollte. »Da ist noch genug drin für einen Schluck oder zwei.«
    Die Augen des Jungen weiteten sich vor Angst.
    Im Raum wurde es so still, dass man das Leder der Brustharnische der Soldaten knarren hörte, während sie bemüht waren, den mittlerweile panischen Jungen festzuhalten.
    »Trink«, sagte die Königin noch einmal. Jemand stellte den Becher, der mir aus der Hand geflogen war vor den Jungen hin.
    Ein dritter Soldat der königlichen Leibwache zog ein Schwert und hielt es dem Jungen an die Kehle. »Du hast die Königin gehört«, sagte er. »Entweder trinkst du es jetzt oder ich fülle den Kelch mit deinem Blut, indem ich dir die Kehle aufschlitze.«
    Die schwarzen Augen des Dieners funkelten trotzig, als er den Becher zum Mund führte. Der Soldat kippte seinen Kopf weit nach hinten, sodass die Flüssigkeit seitlich aus dem Mund des Jungen herauslief – wie dünne Rinnsale aus Blut. Als er den Becher absetzte, wandte der Junge das Gesicht in meine Richtung und blickte mir fest in die Augen. Er murmelte etwas in altägyptischer Sprache und ich wich zurück. Um was für eine schreckliche Strafe für mich hatte er die Götter angerufen?
    Innerhalb weniger Minuten fing der Junge an zu schwitzen und sich in Krämpfen zu winden. Das Gift musste sehr stark sein, dass es noch in so kleiner Menge wirkte. Seine Muskeln zogen sich zusammen und zitterten und die Wachen schleppten ihn aus dem Festsaal, damit er in den Küchenräumen sterben konnte. Das Letzte, was ich von ihm sah, waren seine zuckenden bloßen Füße, deren Sohlen mit Dreck verkrustet waren.
    »Gefahr gebannt!«, rief Vater mit munterer Stimme aus. »Die Königin war wie immer die göttliche Beschützerin ihrer Kinder und ihres Volkes.« Er wandte sich zu ihr und hob den Becher, wobei sein Blick für einen kurzen Augenblick zu mir hinüberwanderte.
    Auch alle Gäste hoben ihre Becher und prosteten Mutter zu: »Heil der Retterin Ägyptens!«
    Ich begriff, was Vater mir hatte sagen wollen. Tu so, als sei nichts geschehen! Ich lächelte und winkte, um meine Stärke im Angesicht der Gefahr zu zeigen, und setzte mich hin. Aber innerlich zitterte ich. Nachdem alle noch einen weiteren Becher geleert hatten, wagte ich es, zu meiner Mutter hinüberzuschauen, und sah, dass sie Charmion etwas ins Ohr flüsterte. Mich überkam ein Gefühl von Unwirklichkeit. Hatte eben tatsächlich jemand versucht, mich umzubringen?
    Alexandros beugte sich über Iotape hinweg. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er. »Du hast doch nichts von dem Wein getrunken, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Isis, bitte lass mich jetzt nicht die Kontrolle verlieren , bat ich innerlich. Ich atmete tief ein, um die Tränen in Schach zu halten. Ich schaute wieder zu Mutter hinüber und sah, wie sie jemandem hinter mir ein Zeichen gab. Dann wandte sie sich um und lächelte einen Gast an, der gekommen war, um mit ihr zu reden.
    Zosima ergriff meinen Arm. »Komm«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Lass uns in dein Zimmer gehen.«
    Im gleichen Augenblick hob Vater erneut seinen Trinkbecher und prostete Caesarion zu, der mit den Söhnen von Mutters engsten Vetrauten zusammensaß. »Lasst uns noch einmal trinken, auf Liber, den Gott des Trankes und der körperlichen Liebe!«, sagte er. »Nun, da du alt genug bist, dich an beidem zu erfreuen!«
    Die Gäste pfiffen und johlten. Caesarion, ebenfalls mit gerötetem Gesicht, hielt seinen Becher in die Höhe und sagte mit angeberischem Ton: »Da bist du aber in jeder Hinsicht zu spät dran, Stiefvater. Vor allem, was die körperliche Liebe betrifft!«
    Tata warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Bei den Göttern! Nun, ich hoffe, nicht nur mit deinen Kameraden!«
    Der Festsaal brach in lautes Gelächter, Beifall und Pfeifen aus. Wie konnten sie einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen? , dachte ich. Zosima führte mich um die voll besetzten Liegen herum und aus dem Festssaal heraus.
    »Setz dich«, sagte sie, sobald wir in meinem Zimmer angekommen waren. »Jetzt ist alles gut. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.«
    Angst? Wie sollte ich ihr erklären, dass ich keine Angst hatte? Ich fühlte mich erniedrigt, verwirrt, wütend. Aber ich hatte keine Angst. Wenigstens noch nicht.
    Olympus, Mutters königlicher Leibarzt, kam in unser Zimmer. »Haben deine Lippen den Wein in

Weitere Kostenlose Bücher