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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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begeben.
    »So, meine Tochter, da heute dein letzter Tag in meiner persönlichen Spielhölle ist, werden wir um einen hohen Einsatz spielen«, sagte er und rollte die römischen Kristallwürfel in seinen großen, wuchtigen Händen. Tata hatte mir in den vergangenen Tagen ein Spiel namens Jactus beigebracht.
    »Ich bin bereit!«, sagte ich und setzte mich auf.
    Er hob skeptisch eine Augenbraue. »Wie oft muss ich es dir erklären? Du solltest zurückhaltend tun, als würdest du zögern, als hätte deine Empfindsamkeit nie den Gedanken zugelassen, dass du dir mit einem derart niederen Zeitvertreib die Hände beschmutzen könntest!«
    Ich verschränkte die Arme. »Sagst du das auch zu Alexandros?«
    Er lachte. »Natürlich nicht. Aber du bist ein Mädchen. Ein schlaues Mädchen kann mit so einem Vorwand Erfolg haben und ihren Gegner verblüffen. Es ist alles eine Frage der Haltung!«
    »Tata! Das ist doch ein Glücksspiel! Was sollte es da nützen, meinen Gegner zu verblüffen?«
    Vater grinste durchtrieben. »Das wirst du schon merken, wenn du älter bist. Es ist eine Kunst, die deine Mutter perfekt beherrscht.«
    Ich wusste nicht, was er meinte, und es war mir auch egal. Ich wollte einfach nur spielen. Vater klappte ein kleines hölzernes Tablett mit einem hohen Rand aus und stellte es auf die Liege neben mich.
    »Leg deinen Denar in die Mitte, Kleine. Ich hab das Gefühl, dass heute mein Glückstag ist.«
    »Ich dachte, wir wollten heute um einen höheren Einsatz spielen?«, sagte ich, während ich eine meiner römischen Münzen neben seine an den Rand des Tischchens legte.
    »Tja, dann leg eben zwei hin!«
    Ich setzte noch eine weitere Münze von meinem Stapel und eine von seinem dazu. Vater gab die Würfel in die Turricula und schüttelte sie. »Bei den Göttern, wie ich diesen Klang liebe!«, sagte er.
    »Moment mal, warum bist du eigentlich als Erster dran?«, beschwerte ich mich.
    »Einfach so, mein gutes Kind, warum denn nicht?« Vater zog einen Hocker aus rotem Leder mit bronzenen Beinen herbei und setzte sich vornübergebeugt hin. Wieder schüttelte er die Würfel und warf sie mit Schwung, um ihnen dann mit übertrieben konzentriertem Stirnrunzeln dabei zuzusehen, wie sie über das Holz rollten.
    Ich musste über seine Spielfreude lächeln und empfand ein Gefühl von Unwirklichkeit, von Zeit, die sich in die Länge zog und langsamer verging. Ich sah das Glitzern in Tatas warmen braunen Augen trotz seiner vorgeblich halsabschneiderischen Entschlossenheit zu gewinnen. Ich betrachtete seine kurz geschnittenen Locken, zerzaust und grauer denn je; wie sich die Muskeln an seinen gebräunten, vom Kampf gezeichneten Armen zusammenzogen und lösten, während er die Ellbogen auf die Knie stützte und sich nach vorne beugte, um zu sehen, wie die Würfel fielen. Ich nahm das schiefe Grinsen wahr, das sich langsam über sein Gesicht ausbreitete, während er das Ergebnis seines Wurfes zusammenrechnete.
    In diesem seltsam intensiven Augenblick dachte ich darüber nach, wie es möglich war, hier so ein friedliches Würfelspiel mit Vater zu spielen, während zugleich das römische Heer auf uns zumarschierte wie ein riesiger Schwarm von Heuschrecken, entschlossen all das zu zerstören, was uns lieb und teuer war. Wie konnte jemand meinen verspielten Tata – oder uns – so sehr hassen? Ich wusste, dass mein Vater seine Fehler hatte, aber selbst die Götter hatten Schwächen, oder nicht? Ich senkte den Blick auf meine Hände, während sich mein Herz mit Zuneigung und Liebe für meinen Tata füllte.
    Die Zeit kehrte wieder zu ihrem üblichen Takt zurück, als Vater auf seinen Wurf reagierte. »Ha! Alle unterschiedlich – die Venus . Die Runde geht an mich.« Triumphierend schob er die vier Münzen aus der Mitte auf seinen Stapel und bedeutete mir mit einem Kopfnicken, dass ich sie durch zwei neue ersetzen sollte.
    »Fortuna ist heute Morgen auf meiner Seite«, verkündete er. Ich wusste, dass Vater, nachdem alle seine Legionen ihn im Stich gelassen hatten, sich auch von der Glücksgöttin verlassen fühlte. Ich weiß noch, dass ich dachte, ich wollte Fortuna versprechen, ich würde mit dem größten Vergnügen für immer beim Jactus verlieren, falls sie sich dafür meinem Vater gnädig erwies, wenn es wirklich wichtig war.
    Ich schnappte die Turricula aus Vaters Hand, warf die Würfel hinein, bedeckte die Öffnung mit meiner Handfläche und schüttelte mit aller Kraft. Ich schloss die Augen und hauchte auf die Würfel, wobei

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