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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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glänzenden, geweihten Schalen ergossen, welche die Priester unter die pulsierenden Wunden der Tiere hielten …
    Ich musste wohl irgendwann meine Hand auf den Boden gestützt haben, denn ich sah meinen verschmierten, blutigen Handabdruck neben Tatas Kopf.
    Die Klagerufe überall im Palast wurden immer lauter. Alexandros kam hereingelaufen und hielt entsetzt inne. Mutters Sekretär, Diomedes, folge ihm. »Die Königin hat nach Antonius geschickt. Was geht hier vor?«
    Mein Vater keuchte. »Was? Kleopatra … lebt?«
    Auch mir entlockte die Hoffnung ein Keuchen. Ich hatte es gewusst! Es war alles nur ein Irrtum. Mutter hätte uns nie verlassen! Und Olympus würde Vater wieder gesund machen!
    Bei Tatas Anblick senkte Diomedes den Blick und trat einen Schritt zurück. »J-ja! Sie wartet … was ist geschehen?«
    Ein Diener flüsterte ihm etwas ins Ohr. Diomedes legte die Hände auf den Kopf. »Bei den Göttern! Was soll ich nur der Königin sagen?«
    Ich blickte zu Vater. Sein Gesicht war bleich. Bleicher als ich es je gesehen hatte.
    »Meine Königin lebt?«, wiederholte er beinahe im Flüsterton.
    »Ja, Herr! Sie hat nach dir geschickt …«
    Daraufhin schloss er die Augen und ließ ein leises Lachen, fast wie ein Stöhnen hören. Noch nie zuvor und niemals seither, habe ich einen erbarmungswürdigeren Laut gehört.
    »Die Götter … so grausam«, flüsterte er. Dann sagte er lauter: »Bringt mich … zu ihr … bevor ich sterbe.«
    Daraufhin fiel Alexandros neben mir auf die Knie. »Nein, Tata, du wirst nicht sterben! Der Arzt bringt alles wieder in Ordnung!«
    »Zu spät.« Vaters Augenlider flatterten kurz, doch dann schlug er die Augen wieder auf und versuchte, den Blick auf uns zu richten. »Denkt daran … ihr seid Römer …« Er keuchte, rang nach Luft.
    »Hör auf, Tata, bitte«, sagte Alexandros.
    »… römische Bürger …« Er blickte Alexandros an. »Sag Octavian … er muss euch verschonen … um sich selbst zu retten. Kapiert?«
    Alexandros nickte, während ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen.
    Tata wandte sich zu mir. Sein Körper wurde von winzigen Krämpfen geschüttelt. »Philadelphos … pass auf …«
    Ptoli! Ihn hatte ich ganz vergessen. Wo war er? Ich wollte nicht, dass er Tata so sah.
    Träger eilten mit einer Bahre in den Raum. Alexandros und ich wurden in die warme Lache von Vaters Blut gestoßen, als sie uns beiseite drängten, um zu ihm zu gelangen. Sie hoben meinen blutrot durchtränkten Vater in die Höhe und eilten mit ihm in einem Aufruhr von Fußgetrappel und scharfen Rufen davon. Ich rannte ihnen hinterher. Eine von Tatas großen, starken Händen hing von der Seite der Trage, Handgelenk und Finger so locker, als würde er schlafen.
    Jemand packte mich um die Taille, und die Luft wurde aus mir herausgepresst, als ich rücklings gegen die Arme gedrückt wurde. »Nein, Prinzessin«, flüsterte ein Wachsoldat. »Du kannst ihm nicht folgen.«
    Ich wehrte mich, trat um mich und schrie, doch der Mann, der mich festhielt, wollte einfach nicht loslassen. So sah ich schluchzend mit an, wie mein sterbender Vater in der blendenden Helligkeit eines alexandrinischen Sommertages verschwand.
~  Kapitel 10  ~
    Ein Küchenmädchen kam in das Spielzimmer gelaufen, um mit Zosima zu sprechen. »Sie haben den Palast umstellt«, flüsterte sie, doch ich konnte sie so deutlich hören, als hätte sie laut gerufen.
    »Wo ist die Königin?«, fragte Zosima.
    »Im Mausoleum. Sie haben sie dort mit dem Leichnam ihres Mannes eingesperrt. Die Königin führt Verhandlungen, um ihre Kinder zu retten. Sie droht damit, alle Reichtümer dort drinnen mit sich zu verbrennen, wenn der Eroberer nicht verspricht, die Kinder zu verschonen.«
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Octavian hatte angedroht, uns zu töten? Ich schaute zu Ptoli hinüber und atmete erleichtert auf, dass er anscheinend nichts gehört hatte. Das ist alles ein böser Traum , sagte ich zu mir selbst. Ich werde aufwachen und Tata wird gleich lautstark hier hereinplatzen und nach Wein verlangen und mit mir um einen hohen Einsatz würfeln wollen. Ich schaute nach unten, um zu sehen, ob mein Beutel mit Münzen wohl irgendwo in der Nähe lag, dabei bemerkte ich das getrocknete Blut unter meinen Fingernägeln.
    Stunden vergingen. Die Geräusche von römischen Soldaten – der kräftige, gutturale Tonfall ihrer Sprache, ihr lautes Lachen – erfüllten den Palast. Wir blieben in unseren Gemächern, wagten uns nicht einmal in die Gänge hinaus. Ein

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