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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Vaters Schwert umklammert. Bei der Göttin! Er hatte sich selbst die Kehle durchgeschnitten! Aber warum? Was hatte Vater ihm befohlen?
    Ich fühlte mich bleischwer, als hätte Anubis mich mit seinen heiligen Bandagen eingewickelt. Ich sah Vater nach unten zu Eros’ zuckender Hand greifen und ihm das kurze Schwert entwinden. Eros gab gurgelnde, keuchende Laute von sich.
    »Eros, du ehrst mich durch deine Treue«, sagte Vater.
    Als wenn die Göttin selbst es mir ins Ohr geflüstert hätte, begriff ich plötzlich, was Vater vorhatte. Die albtraumhafte Schwere wich von mir und ich schoss unter dem Tisch hervor. Dabei stolperte ich über die massive, vergoldete Bank, die auf dem glatten, blutveschmierten Marmor vor mir davonrutschte.
    Aber ich war nicht schnell genug. Vater kniete auf dem Fußboden und hatte sein Schwert vor sich, die glänzende Spitze an seiner Brust. Mit einer plötzlichen Bewegung warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Waffe.
    »Tata, nein!«, schrie ich.
    Er wandte sich zu mir, langsam wie in einem Traum, die Augen weit aufgerissen. »Meine Tochter …?« Er hob eine Hand. »Geh, geh!«, keuchte er.
    Hilflos sah ich zu, wie er die Augen schloss und vor Schmerz aufstöhnte. Er versuchte, tief Luft zu holen und das Blut floss schnell und dunkel über seine Tunika und seine lederne Rüstung und rann in kleinen Rinnsalen seine Beine hinab.
    »Tata!«
    Ich rannte zur Tür und rief nach Olympus, nach irgendjemandem, der mir zu Hilfe kommen sollte. Dann eilte ich zu ihm zurück. Tata war auf die Seite gefallen. Ich versuchte, nicht hinzusehen, aber ich bemerkte, dass die Spitze der Klinge gerade noch durch die Tunika auf seinem Rücken hindurchblitzte.
    Leute eilten herbei. Ich hörte leise Gebete auf Griechisch und auf Ägyptisch. Jemand rief nach Olympus.
    Ich kniete neben Vater. »Nicht sterben, Tata, bitte! Der Arzt ist schon unterwegs!«
    Er starrte zu mir empor. Seine sonst meist blitzenden braunen Augen wirkten stumpf und dunkel. Er blinzelte langsam. »Ich habe das Herz verfehlt«, flüsterte er.
    Ich fing an zu weinen. Sein Blut sammelte sich um meine Knie. Ich hielt seinen Kopf und küsste ihn auf die Stirn. Er schloss die Augen. »Geh, kleine Kleopatra.« Dann, nachdem ein Anfall von Schmerz vorüber war: »Warum hat mich keiner gewarnt … so weh tut? Man sollte meinen, dass irgendjemand das … erwähnt hätte.«
    Ich konnte nicht lächeln, obwohl ich ahnte, dass er genau das erreichen wollte. Ich schaukelte und streichelte sein Gesicht und betete. »Isis, hilf uns. Bitte, hilf uns, Isis.«
    Tata schloss die Augen und murmelte: »Hab dir doch schon früher gesagt … Dionysos ist besser.«
    Er hustete. Blut sammelte sich in seinem Mund. Der Raum füllte sich mit Schaulustigen. Wo blieb Olympus?
    Einer von Mutters königlichen Leibwächtern erschien. Er fluchte auf Griechisch beim Anblick von Eros und Vater. Er kniete sich neben Tata und zog zu meinem Entsetzen das Schwert heraus, das ihn durchbohrt hatte. Ich kniff die Augen zusammen, als mir klar wurde, was er tat, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich das schmatzende Geräusch und das Knirschen hörte, als das Metall aus Vaters Körper herausglitt, und auch das jammervolle Stöhnen, das Vaters Lippen entwich.
    »Ich befehle dir …«, sagte Vater und blickte zu dem Mann hinauf, während er vor Schmerzen keuchte. »Bring es zu Ende.«
    Aber der Soldat machte nur große Augen und rührte sich nicht. Er wirkte so starr, wie ich mich gefühlt hatte, das Schwert tropfte noch in seinen Händen. Olympus kam in den Raum gerannt. »Die Diener sagen, Antonius hätte sich selbst …«
    »Wie immer … auch das noch«, keuchte Tata. »Bringt es zu Ende …«
    Der Blick des Arztes wanderte von Vater zu dem Schwert bis hinauf in das Gesicht des Wachsoldaten. »Du Idiot!«, brüllte er auf Griechisch. »Jetzt werde ich die Blutung nie stillen können!«
    Voller Angst ließ der Soldat das Schwert fallen und wich rückwärts aus dem Raum. Olympus schrie nach sauberen Verbänden und fing an, die Tücher auf Vaters Rücken und Brust zu pressen. Vater versuchte, ihn mit den Unterarmen beiseitezuschieben, aber er war zu schwach.
    »Hör auf!«, stöhnte er. »Du … raubst mir die Dignitas !«
    Doch der Arzt machte weiter. Der starke, metallisch-süße Geruch von Blut erfüllte den Raum. Mir wurde schwindelig. Bilder von geopferten Stieren tauchten vor meinem inneren Auge auf, Hammel, aus denen das Blut strömte, Ströme von Blut, die sich in die

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