Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
der Sänfte und versuchte, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Jetzt verstand ich, warum Octavian uns auf diesem Weg zum Hafen geschickt hatte – er wollte, dass wir all dies sahen. Wieder musste ich gegen die Übelkeit ankämpfen. Seine Botschaft war klar: Die Krönungszeremonie hat nie stattgefunden . Und falls wir je darüber sprechen sollten, würden Sklaverei oder Schlimmeres unser Schicksal sein.
    »Isis stehe uns bei, denn wir sind in deiner Hand«, murmelte ich.
    »Was hast du gesagt, Kle-Kle?«, fragte Ptoli und benutzte dabei seinen alten Kosenamen für mich.
    »Nichts«, sagte ich und versuchte zu lächeln. »Ich bin nur müde.«
    Ich schloss die Augen und sang mir im Stillen Amunets letzte Worte vor wie ein Gebet: Unsere Getreuen in Rom … Wenn die Zeit gekommen ist … Du musst Geduld haben … auf Isis vertrauen.
    Zosima stand hinter uns an Deck des römischen Transportschiffes und wischte sich die Tränen aus den Augen, während die Matrosen unsere Abfahrt vorbereiteten. Nafre, Ptolis Amme, war geflohen, bevor wir an Bord gegangen waren. Sie hatte Zosima erklärt, dass sie bei den verhassten Römern nicht leben wollte und konnte, selbst wenn das bedeutete, dass sie Ptoli damit das Herz brechen musste.
    Katep, der sich angeschickt hatte, hinter mir das Schiff zu betreten, war aufgehalten worden. »Keine halben Männer!«, verkündete ein Soldat. »Befehl von Caesar.« Katep warf ihm einen scharfen Blick zu und ging dennoch an Bord. Zwei Soldaten packten ihn und schleppten ihn zurück ans Ufer.
    »Lasst ihn los!«, rief ich, ohne nachzudenken. »Er ist ein geweihter Diener der Krone!«
    Alles wurde still, dann brachen die Männer zu meinem Entsetzen in Lachen aus. »Es gibt keine Krone mehr!«, höhnten sie.
    Ein Soldat beugte sich hinab, um mir ins Gesicht zu schauen. »Lass dir eines gesagt sein, du kleines Mischlingsbalg einer Hure«, spie er mich an. »Wir Römer lassen uns nicht von besiegten Eingeborenen herumkommandieren und schon gar nicht von kleinen Mädchen .«
    Derselbe Soldat richtete sich auf und rief den Männern hinterher, die Katep wegzerrten. »Wartet«, dröhnte er. »Ein paar von uns könnten vielleicht noch ihren Spaß daran haben, ihn sich der Reihe nach vorzuknöpfen!«
    Mehr Gelächter. Die Männer, die Katep festhielten, fingen an, ihn grob hin und her zu schubsen. Bei den Göttern, ich habe alles nur noch schlimmer gemacht! Ich könnte es nicht ertragen, wenn Katep meinetwegen ein Leid geschähe!
    »Lasst ihn los!«, rief der Kapitän von oben. »Wir haben keine Zeit für so etwas. Ich brauche euch zwei, damit ihr meinen Männern beim Einladen helft.« Er deutete auf einen Obelisken aus Marmor, der auf Rollen lag, die von einem Eselsgespann gezogen wurden. Die Soldaten ließen Katep mit einem letzten Schubs los. Katep starrte mich benommen an.
    »Geh!«, hauchte ich ihm auf Ägyptisch zu. »Bitte, geh!« Sein Gesicht zog sich zusammen – aus Scham? Resignation? Schuld? –, während er sich von mir abwandte. Das war das Letzte, was ich von meinem treuen Freund und Beschützer sah.
    Als wir ablegten, legten wir die Köpfe in den Nacken, um zu unserem großen Leuchtturm emporzuschauen. Unser geliebter Leuchtturm, ein Symbol für das Vermächtnis unserer Familie wurde kleiner und immer kleiner, bis er ganz am Horizont verschwunden war und nur noch eine schwarze Rauchfahne hinterließ, die uns hinterherwinkte. Erst dann wandten sich meine Brüder ab.
    Aber ich blieb stehen und starrte auf die leere Weite des Meeres hinaus, die mich von allem trennte, was ich je gekannt und geliebt hatte. Mutters Dolch, den Katep für mich gefunden hatte, zwickte mich in die Seite, als ich tief Luft holte.
    Vielleicht würde ich diesen Dolch eines Tages gegen meinen Feind richten, so wie Mutter selbst es versucht hatte.
    »Ich werde nicht aufgeben, Mutter«, schwor ich auf Ägyptisch. »Ich werde sein wie du. Ich werde abwarten und dann zuschlagen, genau wie du es getan hast, als deine Feinde versucht haben, dich vom Thron zu stoßen. Ich werde mein Erbe und unser Ägypten zurückerobern.
    » Genestho «, fügte ich flüsternd hinzu und spürte dem Klang von Mutters ganz persönlichem Befehl auf meinen Lippen nach.

----
T eil II : R om
----
~  Kapitel 16  ~
    In dem Jahr, welches das 21. Jahr der Regentschaft
meiner Mutter gewesen wäre
Noch immer in meinem 11. Jahr
30 v.d.Z.
    Die fast zweiwöchige Reise verschwamm in einer diffusen Wolke aus Ptolis Tränen, Seekrankheit, Trauer

Weitere Kostenlose Bücher