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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Väter annehmen – selbst wenn es mehr als eine Tochter gab?
    »Und wer bist du?«, fragte Julia nach.
    Ich schrak auf. »Oh, ich bitte um Verzeihung«, sagte ich. »Ich bin Kleopatra VIII. Selene, Tochter von Kleopatra VII. und Marcus Antonius. Das hier ist mein Zwillingsbruder, Alexandros Helios, und das unser jüngerer Bruder Ptolemaios XVI. Philadelphos. Wir entstammen dem königlichen Geschlecht der Ptolemäer.«
    Ein verlegenes Schweigen folgte. Ich hatte nicht so förmlich sein wollen. Ptoli durchbrach die Spannung, indem er sich direkt an Tonia wandte: »Nenn mich einfach Ptoli«, meinte er. »Willst du mal meine Katze sehen?« Das Mädchen rannte zu ihm, und sie plapperten aufgeregt drauflos, während Ptoli sie zu dem Karren führte, wo Sebi und unsere anderen Katzen aus ihren Weidenkäfigen lugten.
    »Kommt«, sagte Marcellus. »Ihr seid bestimmt müde von der langen Reise. Oh – da kommt Mutter!«
    Eine Frau betrat den Innenhof. Octavia. Die Schwester unseres Feindes. Die römische Frau unseres Vaters. Ich hatte bereits gehört, dass sie schön sei, und das war wirklich so. Goldblonde Haare, helle Augen, glatte Haut, ebenmäßige Züge. Ihr Haar war auf elegante Weise zu einem komplizierten Knoten auf ihrem Kopf hochgesteckt und mit dünnen, lilafarbenen Bändern geschmückt. Sie trug eine Tunika unter einem langen, ärmellosen Gewand, das von den Römern Stola genannt wurde. Das schien übermäßig viel Bekleidung zu sein angesichts der Hitze, vor allem, da die Stola aus Wolle war. Wir bevorzugten, wie die meisten Ägypter, fein gewebtes Leinen.
    Ptoli und Tonia liefen auf sie zu. Er blieb direkt vor ihr stehen und strahlte sie mit Tatas berühmtem schiefen Grinsen an. Octavia legte eine Hand auf die Brust, während sie große Augen machte und ihr der Mund offen stehen blieb.
    »Bei den Göttern«, sagte sie. »Du bist ja das Ebenbild meines Marcus.«
    Meines Marcus?
    »Hallo!«, sagte Ptoli. »Ich bin Ptolemaios XVI. Philadelphos, aber man nennt mich Ptoli oder Kleiner Stier.«
    Octavia hockte sich vor ihm hin und lächelte, in ihren Augen standen Tränen. »Hallo, Kleiner Stier. Ich bin Octavia und werde mich ab jetzt um dich kümmern. Ich war mit deinem Vater verheiratet. Und du gleichst ihm wie ein Ei dem anderen!«
    Ptoli strahlte noch mehr.
    »Mama, er hat eine Katze! Sie haben alle Katzen!«, sagte Tonia.
    Octavia nickte, aber es schien ihr schwerzufallen, ihre Aufmerksamkeit von meinem Bruder abzuwenden.
    »Mama! Katzen!«, wiederholte Tonia verärgert.
    »Ja«, sagte Octavia schließlich, obwohl sie noch immer den Blick nicht von Ptoli wandte. »Jetzt werden die Ratten von Rom keine Chance mehr haben, was?« Sie richtete sich auf und schaute zu Alexandros und wieder bekam sie so einen weichen Gesichtsausdruck. »Ja, auch in dir kann ich Marcus sehen.«
    Dann wandte sie sich zu mir. Etwas – Überraschung? – huschte kurz über ihr Gesicht. Aber als ich blinzelte, war es schon verschwunden. »Willkommen«, sagte sie lächelnd, und ihre Augen blickten mich weich und freundlich an. Ich dankte Isis dafür, dass sie so ganz anders zu sein schien als ihr bösartiger Bruder und dass wir unsere Beschützerin kennenlernten, bevor wir Octavians Ehefrau begegnen mussten – der Frau, die uns als Teil ihre Eigentums »verwalten« würde.
    Octavia berührte Alexandros an der Schulter. »Ihr seid bestimmt hungrig und durstig. Lasst uns aus der Sonne gehen, dann können wir euch auch etwas Kühles zu trinken bringen.«
    Ich bemerkte, dass sie mich nicht weiter ansah. Darüber war ich verletzt und erleichtert zugleich. Einerseits überraschte es mich nicht, dass Octavia sich mehr für meine Brüder zu interessieren schien. Einige Frauen konnten, wie ich wusste, mehr mit Jungen und Männern anfangen, und ich freute mich für Alexandros und Ptoli – vor allem für Ptoli –, denn das bedeutete, dass sie sich ihrer Freundlichkeit sicher sein konnten. Aber gleichzeitig spürte ich wieder einmal den Verlust meiner Mutter, ihr Vertrauen in mich, ihre Stärke und Sicherheit, dass ich so war wie sie und eines Tages wie sie regieren würde. Eine Welle der Einsamkeit und der Sehnsucht breitete sich mit einer solchen Wucht in meiner Brust aus, dass ich fast gestolpert wäre.
    Bevor wir das Atrium betraten, ertönte das Klappern von Hufen hinter uns. Alexandros und ich wechselten einen Blick. Römische Soldaten? Was war, wenn sie es sich nun anders überlegt und beschlossen hätten, sie wollten uns doch hinrichten oder

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