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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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gegen dich aufbringen.«
    Das Mädchen starrte mit besorgtem Gesichtsaudruck in die Richtung von Livias Haus.
    »Ach, entspann dich«, sagte der Wachmann und küsste sie in den Nacken. »Ich werde dich beschützen.«
    Ich schlich mich davon, als ihre Umarmung stürmischer wurde. Konnte es wirklich wahr sein? War Livia ebenso gefährlich wie ihr Ehemann? Einerseits hätte ich die Unterhaltung gerne als albernes Geschwätz von Sklaven abgetan, andererseits wusste ich sehr gut, dass Haussklaven immer genauestens den wahren Charakter ihrer Herrschaft kannten.
    In jedem Fall beschloss ich, meine Brüder zu warnen, nie, niemals etwas zu trinken oder zu essen, was ihnen von Livia Drusilla angeboten wurde. Es schien, als müssten wir uns vor ihr ebenso in Acht nehmen wie vor ihm.
    Da Griechisch unsere Muttersprache war, waren meine Brüder und ich vom Griechischunterricht befreit, während wir uns für den Unterricht in Mathematik, Philosophie und Literatur zu den anderen Kindern gesellten. Ich war erleichtert zu sehen, dass die Mädchen des Haushaltes gemeinsam mit den Jungen unterrichtet wurden, auch wenn die Mädchen manchmal Unterrichtsstunden versäumten, weil sie beim Wollespinnen helfen mussten.
    Als man mir sagte, ich müsste Garn für Stoffe spinnen, hatte ich gelacht und es für einen Scherz gehalten. Aber ich erfuhr bald, dass von jeder römischen Frau aus gutem Hause erwartet wurde, dass sie spinnen, weben und Kleidung für die Familie nähen konnte. Octavian rühmte sich oft, dass er nur das trug, was seine Frau, Schwester oder Tochter gemacht hatten. Natürlich entsprach diese Behauptung keineswegs den Tatsachen. Er – oder besser gesagt Livia – besaßen Hunderte geschickter Sklaven, die sich nur dieser Aufgabe widmeten. Aber die Behauptung unterstrich seinen Ruf als altmodischer, frommer Römer und den von Livia als tüchtige römische Hausfrau. Und so mussten alle Mädchen des Haushaltes die Kunst des Spinnens und Webens lernen, damit Octavian bei Bedarf vorführen konnte, wie sehr er traditionelle römische Werte in seinem Haus pflegte.
    Sobald wir die dunkle, stickige Spinnkammer betraten, machten sich die beiden Marcellas und die beiden Antonias sowie Julia an die Arbeit. Eine Sklavin drückte mir einen Korb mit einem Spinnrocken, einer Spindel und einem Berg Wolle in die Arme. »Du musst spinnen«, wies sie mich an. »Befehl der Herrin.«
    Julia hatte offenbar meinen Gesichtsausdruck bemerkt. »Ach, warte mal! Lass mich raten«, sagte sie. »Prinzessinnen machen sich nicht die Hände mit solchen Aufgaben schmutzig, was?«
    »Man hat mich diese edle Tätigkeit nie gelehrt«, sagte ich diplomatisch und verbarg meine Abscheu angesichts des überwältigenden Geruchs von Wolle und schwitzenden Arbeiterinnen, der schwer in dem dunklen, gemauerten Raum hing. »In Ägypten trägt man Leinen.« Ich verschwieg, dass die meisten gebildeten Ägypter niemals etwas getragen hätten, das aus Wolle gemacht war. Es galt als unrein und als Beleidigung der Götter
    » In Ägypten trägt man Leinen «, äffte Julia mich nach. » In Ägypten ist alles besser .«
    Die Sklavin zeigte auf Marcella die Ältere. »Zeig du ihr, wie es geht.«
    Marcella schien es peinlich zu sein und ich konnte nicht sagen, ob es wegen meiner mangelnden Kenntnisse war oder weil sie gezwungen war, mir so eine einfache Tätigkeit beizubringen. Sie nahm etwas in die Hand, das aussah wie ein Büschel alter Hexenhaare – zottelige, graue Strähnen – und hielt es mir entgegen. »Zieh das auseinander, bis es länger wird. Aber nicht so weit, dass es reißt – oh. Egal, versuch’s noch einmal.«
    So einfach es aussah, am Ende hatte ich unabsichtlich mehrere Handvoll der stinkenden Wolle in Stücke gerissen. Eine der Arbeiterinnen hinter mir zischte: »Egal! Zeig ihr jetzt die Spindel.« Aber es wollte mir nicht gelingen, den langen Stock mit der linken Hand zu halten und gleichzeitig die Spindel mit der rechten zu drehen. Der stille Raum hallte vom Geklapper meiner hölzernen Gerätschaften auf dem Steinfußboden wider.
    Schließlich beugte Marcella sich zu mir. »Bitte einfach meine Mutter, dass sie dich von dieser Arbeit befreit«, flüsterte sie. »Man kann nicht von dir erwarten, dass du jetzt anfängst, während wir es praktisch mit der Muttermilch aufgesogen haben!«
    Ich lächelte dem gutmütigen Mädchen dankbar zu.
    »Aber du musst sie unbedingt fragen, bevor Livia zurückkehrt«, warnte Marcella mich. »Die Frau meines Onkels sollte man

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