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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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dritten Mann!«
    »Deswegen können wir doch trotzdem werfen.«
    Ich lehnte mich zurück und warf, so fest ich konnte.
    Er fing den Ball, grinste und warf ihn kräftig zurück. »Wer hat dir das Spiel beigebracht?«
    »Mein Bruder Caesarion. Aber manchmal habe ich auch mit meinem Tata gespielt.«
    Wir warfen den Ball schweigend hin und her. Es war nicht meine Absicht gewesen, unser Gespräch abzuwürgen, indem ich die Sprache auf meinen toten Vater und Bruder brachte. Doch das Klatschen des Leders auf unseren Handflächen und das Zischen, während der Ball durch die Luft flog, gaben mir ein Gefühl von Entspannung wie schon seit Langem nicht mehr.
    »Ptoli und auch die älteren Jungen sind ganz begeistert von dir«, sagte ich nach einer Weile.
    »Ptoli ist ein wunderbarer Junge. Hart im Nehmen.«
    Ich erwähnte nicht, wie er noch vor Kurzem hin und her geschaukelt und an seinem Daumen gelutscht hatte.
    »Er sieht aus wie euer Vater – ist er auch sonst wie er?«
    »Ja, sehr«, sagte ich. »Mein Tata hatte ein unwiderstehliches Lächeln und konnte alle mit seinem Charme für sich gewinnen. Und was ist mit deinem Vater? Bist du ihm ähnlich?«
    Es folgte ein kurzer Augenblick des Schweigens. »Ich weiß sehr wenig über meinen Vater.«
    »Oh.«
    »Aber sag«, fuhr er fort und wechselte das Thema, »was fehlt dir am meisten aus dem schönen Alexandria?«
    Diese Frage überraschte mich. Niemand sonst erwähnte je unsere Heimatstadt oder unsere Vergangenheit, so als könnte das Unglück bringen. Ich erzählte ihm von unserem Leuchtturm, von den zahmen Gazellen, die im Park des Palastes herumliefen, und von den Löwen in unserer Menagerie. Aber am meisten interessierte er sich für die Bibliothek.
    »Ich habe immer davon geträumt, einmal in Alexandria zu studieren, weißt du?«, sagte er. »Die Originale der Schriftrollen von Aristoteles oder Euripides in den Händen zu halten … Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.« Er lächelte fast ein wenig verlegen.
    Doch sein Geständnis freute mich. »Oh, es hätte dir gefallen!« Er fing den Ball und kam langsam auf mich zu. Er warf ihn nicht noch einmal. »Wenn du als Gast in unserem Palast gewesen wärst, hätten wir dir freien Zugang zu allen Vorträgen, Unterrichtsstunden oder Debatten verschafft, ganz nach deinen Wünschen.«
    Er lächelte und seine Augen blitzten. Wir setzten uns in den Schatten eines großen Feigenbaumes.
    »Wusstest du, dass die besten Wissenschaftler und Astronomen der Welt in unserem Museion geforscht haben?«
    »Ja, ich glaube, ich habe schon davon gehört«, sagte er lächelnd.
    »Manchmal hat Sosigenes mich und meine Brüder eingeladen, um mit ihm auf seiner privaten Aussichtsterrasse den Nachthimmel zu beobachten.«
    »Sosigenes? Derselbe Sosigenes, der meinem Gönner, Julius Caesar, geholfen hat, unseren Kalender in Ordnung zu bringen?«
    Ich grinste. »Genau der. Er war der bevorzugte Hofastronom meiner Mutter. Einmal hat der alte Mann versucht, mir weiszumachen, dass die hellen Lichter, die über den Nachthimmel schießen, gar nicht die Tränen der Götter sind, sondern nur Felsbrocken, die bei ihrem Sturz zur Erde in Flammen aufgehen!«
    Juba blickte mich überrascht an. »Tatsächlich?«
    Ich nickte.
    »Und was hat er dir sonst noch erzählt?«
    Wir redeten über die Wissenschaftler, die mit versteckten Seilzügen Tempeltüren öffnen konnten, über die Mathematiker, die den Umfang der Erde bestimmten, indem sie den Schattenwurf beim Sonnenhöchststand maßen, und über die Ingenieure, die mit Hitze experimentierten, um Gegenstände zu bewegen.
    Juba seufzte. »Das klingt ja geradezu märchenhaft.« Wir saßen in einvernehmlichem Schweigen da und er blickte in die Ferne.
    »Wieso musstest du nicht wie alle anderen Livia begrüßen an dem Morgen nach ihrer Ankunft?«, fragte ich schließlich.
    Sein Blick wanderte zurück zu mir. »Was?«
    »Der Rest der Familie musste sich aufstellen wie zu einer militärischen Inspektion.«
    Er lachte. »Du meinst die Kinder.«
    Ich nickte.
    »Als Erwachsener blieb mir dieser nette Brauch erspart. Ich habe später mit ihr zusammen im Triclinium zu Abend gegessen.«
    Aha. Er hatte also bereits seine Mannbarkeitszeremonie hinter sich. Ich dachte an die Feier zu Ehren von Caesarion. »Hattest du auch ein Fest zu Ehren von Liber und Libera?«, fragte ich.
    Er lächelte. »Erst letztes Jahr. Bevor ich losgezogen bin, um Octavian in Alexandr…« Er hielt inne.
    Ich blickte auf meine Hände hinab.

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