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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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dann an mir, wenn die anderen nicht hinschauen. Oder manchmal sogar, wenn alle hinsehen.«
    »Hast du mit Octavia darüber gesprochen?«
    Er hörte auf, hin und her zu tigern, und sah mich an, wobei er verärgert den Kopf schief legte. Aber noch bevor er etwas sagen konnte, schob eine Hand den schweren Vorhang beiseite.
    »Ich höre eine Mädchenstimme. Was ist denn hier los?«, sagte Tiberius und trat zu uns in das kleine Cubiculum .
    Alexandros stöhnte.
    »Oho! Sieh mal an«, sagte Tiberius mit glänzenden Augen. »Bruder und Schwester genießen die Zweisamkeit. Drusus, komm mal her!«
    Ich erstarrte. Ich hatte anfangs gedacht, dass er eigentlich ganz gut aussehen könnte, wenn sein Gesicht nicht von heftiger, entzündlicher Akne bedeckt gewesen wäre, aber jetzt merkte ich, dass nicht die Haut das Problem war. Es war die abgrundtiefe Grausamkeit in seinen Augen. Drusus kam herbeigelaufen.
    »Ich wusste ja, dass ihr abartigen Ägypter die Finger nicht voneinander lassen könnt«, spottete Tiberius. »Ihr musstet wohl einfach mal ein bisschen alleine sein, was?«
    »Was redest du da?«, entgegnete ich.
    »Ihr zwei solltet doch heiraten, oder? Könnt ihr es deswegen nicht ertragen, voneinander getrennt zu sein? Gebt es zu!«, knurrte er. »Ihr wolltet das Bett miteinander teilen, wie alle anderen Ptolemäer, die je gelebt haben. Ihr wolltet alle Gesetze des Anstands brechen. Kommt schon, zeigt uns, wie ihr es gemacht hättet!«
    Ich dachte daran, wie Amunet und Ma’ani-Djehuti uns bei unserer Krönungszeremonie zu König und Königin, Bruder und Schwester, Mann und Frau erklärt hatten. Damals war es mir überhaupt nicht seltsam erschienen – waren königliche Ehen zwischen Bruder und Schwester nicht immer schon von Isis und Osiris gesegnet gewesen? Aber nachdem ich nun schon einige Zeit unter Römern gelebt hatte, sah ich es zum ersten Mal mit ihren Augen – als Abscheulichkeit.
    Ich errötete vor Verwirrung, Verärgerung und Scham. Drusus legte eine Hand auf den Mund und kicherte. Tiberius packte mich am Oberarm und schubste mich gegen Alexandros’ Brust. »Kommt schon! Tut es, ihr dreckigen Ägypter-Schweine. Wir wollen es sehen.«
    »Fass mich nicht an!«, schrie ich.
    »Ha! Das Mädchen hat wenigstens Mumm!«
    »Lass sie in Ruhe«, warnte Alexandros ihn.
    Tiberius trat vor meinen Bruder und grinste. »Es gibt gar nichts, aber auch ganz und gar nichts, womit du mich aufhalten könntest.«
    Alexandros versetzte Tiberius einen kräftigen Stoß. Sein Gesicht war gerötet. Tiberius hatte offenbar nicht damit gerechnet, denn er verlor das Gleichgewicht und krachte gegen die kleine Truhe in der Ecke.
    »Oh, das war ein böser Fehler, mein Prinzchen«, sagte er und rappelte sich rasch wieder auf.
    »Was willst du tun – den Wäsche-Sklaven bitten, mich für dich zu verhauen?«
    Tiberius kam näher. Ich stellte mich zwischen die beiden. »Hört auf!«, rief ich.
    Ptoli kam in die Kammer gelaufen. »Was ist hier los? Warum schreit ihr so?«
    Marcellus folgte dicht hinter ihm. Als der Älteste und Octavians Liebling genoss er großen Respekt unter allen Jungen. »Was geht hier vor?«, fragte er.
    »Er hat mich geschubst«, sagte Tiberius.
    »Nachdem du mich geschubst hattest!«, rief ich.
    Marcellus wandte sich an Tiberius. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du ein Mädchen geschubst hast?«
    Tiberius warf mir einen vernichtenden Blick zu.
    »Könnte mir bitte jemand erklären, was hier los ist?«, fragte Marcellus noch einmal.
    »Tiberius schlägt meinen Bruder«, sagte ich.
    Alexandros hinter mir stöhnte auf. »Ich kann schon für mich selbst sprechen, Kleopatra Selene«, sagte er.
    Tiberius verzog verächtlich das Gesicht. Marcellus kniff ganz leicht die Augen zusammen und musterte ihn. Ich wusste, dass sich die Stiefcousins nicht besonders gut leiden konnten. »Ziehe nicht den Zorn der Götter auf dieses Haus, indem du die Gesetzte der Xenia missachtest«, warnte Marcellus ihn.
    »Das Gesetz der Gastfreundschaft bezieht sich auf Gäste «, knurrte Tiberius. »Nicht auf Kriegsgefangene.«
    »Meine Mutter wäre entsetzt, wenn sie erfahren würde, wie du dich benimmst«, sagte Marcellus.
    Tiberius wurde blass. »Nun, dann erzähl’s ihr einfach nicht!«
    Mir fiel auf, dass Marcellus nicht damit drohte, es Livia, Tiberius’ eigener Mutter zu erzählen – weil sie vermutlich sein Handeln gutheißen würde. Und doch ließ die Drohung, vor Octavia in ein schlechtes Licht gerückt zu werden, Tiberius

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