Mondmädchen
deinem Vater, dass all diese verheirateten Frauen Affären haben«, erwiderte ich in dem Versuch, das Thema auf ihren Tata zu lenken, zu dem sie ein streitbares Verhältnis hatte. Octavian sprach unablässig davon, dass er, vor allem bei den Frauen, die römische »fromme« Sittsamkeit wiederherstellen wollte, indem er den römischen Frauen all die Freiheiten wegnahm, die sie bisher genossen hatten. Aber wie immer musste er vorsichtig vorgehen, damit die Leute nicht bemerkten, dass er damit nicht nur die Frauen einschränkte, sondern letztlich allen Römern ihre Freiheit raubte.
Doch Julia fuhr fort, als ob ich gar nichts gesagt hätte. »Ja, all die gelangweilten Schönen. Die finden Juba einfach unwiderstehlich. Ich habe gehört, er sei eher schüchtern, und das lässt die Frauen nur umso entschlossener um seine Gunst buhlen.«
»Ich dachte, du wärst in Tiberius verknallt«, entgegnete ich, obwohl ich genau wusste, dass es nicht stimmte, aber ich wollte um jeden Preis von Juba ablenken.
»Tiberius?«, lachte sie. »Der ist doch mein Stiefbruder!«
»Ja, aber ich habe genau gesehen, wie deine Blicke ihm folgen, wenn du glaubst, dass keiner hinsieht«, log ich.
Sie richtete sich auf und nur ihre zornigen blauen Augen waren durch den dichten Dampf sichtbar, der aus dem Becken stieg. »Das ist nicht wahr! Ich hasse Tiberius«, zischte sie. »Und noch einmal, er ist mein Stiefbruder . Wir sind nicht so wie ihr Ptolemäer!«
Ich zuckte die Achseln und sagte nichts mehr. Ich war zufrieden, dass ich sie getroffen hatte. Ich lehnte mich gegen die Marmorfliesen des Beckenrandes und sah zu den Strahlen von Sonnenlicht empor, die durch die hohen Fenster fielen und mit dem wirbelnden Dampfschwaden um die Wette tanzten.
Ganz gegen meinen Willen führten Julias Kommentare doch dazu, dass ich lächerlich viel Zeit damit verbrachte darüber nachzugrübeln, welche römischen Schönheiten wohl Jubas Aufmerksamkeit hatten gewinnen können und ob er sich in eine von ihnen verliebt hatte. Das wiederum führte dazu, dass ich mich in seiner Gegenwart nur noch unbehaglicher fühlte, obwohl es mich nicht davon abhielt, meinen angestammten Platz einzunehmen, um ihm und Alexandros bei ihren Kampfübungen zuzusehen.
Eines besonders schönen Frühlingsnachmittages setzte ich mich wie üblich unter den Zitronenbaum. Juba erschien, aber mein Bruder nicht. Nachdem er die hölzerne Kampfausrüstung zurechtgelegt hatte, blickte Juba sich um. Er bemerkte mich unter dem Baum. Bei den Göttern! Wusste er, dass ich regelmäßig hierherkam, um ihm zuzusehen? Mein Magen krampfte sich zusammen, als er auf mich zuging, und ich blickte zur Seite und tat so, als wäre ich tief in Gedanken versunken.
»Wo steckt denn dein Bruder?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich, »aber ich habe gesehen, dass Julia vorhin hinter ihm hergelaufen ist, weil sie ihn etwas fragen wollte.«
»Tja, ich sage ihm immer wieder, dass er an seiner Schnelligkeit arbeiten muss«, schmunzelte Juba. »Ich lasse ihm noch ein bisschen Zeit, falls er ihr doch noch entkommt.«
Es folgte ein peinliches Schweigen. Ich hielt die Augen fest auf die Schriftrolle in meinem Schoß gesenkt, obwohl ich kein Wort lesen konnte. Sehr bewusst verspürte ich seine Nähe und den würzig warmen Duft seiner Haut. Er trug eine ärmellose Tunika und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Verstohlen blickte ich auf seine Arme und überlegte dabei, wie es sich wohl anfühlen würde, sie um mich zu spüren.
Er lehnte sich zurück, stützte sich auf die Ellbogen und blinzelte in die Ferne. »Was liest du da?«, fragte er.
Ich zuckte zusammen. »Oh. Äh. Eigentlich gar nichts.« Unmöglich konnte ich ihm sagen, dass es die Liebesgedichte des Catull waren. Ich hatte mich nicht dazu durchringen können, die trockenen Abhandlungen über ägyptische Politik und Wirtschaft zu lesen, die mir eines Tages beim Regieren nützlich sein könnten. Aber ich wollte auch nicht zugeben, dass ich skandalöse Liebesgedichte las.
Als Juba lächelnd und neugierig die Augenbrauen hob, wurde mir klar, dass ich weitere Fragen mit einer besseren Antwort abwehren musste. »Nur ein paar Aufsätze über die … äh … die Epikureer.«
»Ach, wirklich?«, sagte er und zwinkerte mir zu. »Ich hätte dich gar nicht als Epikureerin eingeschätzt.«
»Bin ich auch nicht. Ich lese nur darüber. Aber warum sagst du das?«
»Nun ja, wir wissen beide, dass du keine Stoikerin bist.« Er lächelte. »Ich sehe dich eher
Weitere Kostenlose Bücher