Mondmilchgubel Kriminalroman
sein, dass der Honegger Kari erpresst wird«, erwägt Kunz. »Vielleicht hat jemand gesehen, wie er Iris Brunner im Mondmilchgubel getötet hat.«
»Der Eierkari ist kein Mörder. Warum glaubt mir niemand?«
»Beruhigen Sie sich, Frau Jung, und überlassen Sie die Arbeit uns«, tadelt Kunz sie.
Idiot, denkt sie.
»Ich verlasse mich nicht auf Spekulationen«, erwidert Möller scharf. »Da sind noch zu viele Ungereimtheiten. Wir werden so lange ermitteln, bis die Fakten und Indizien mit meinem Gefühl übereinstimmen.«
Sie nimmt erneut Anlauf. »Wahrscheinlich hat nicht Edelmann, sondern der Eierkari die Kette im Gestell versteckt. Außer seiner Familie kennt niemand den Doppelboden dieser Vorrichtung. Zeit genug hätte er auf jeden Fall gehabt.«
»Und warum sollte er so etwas tun?«, wollte Möller wissen.
»Er tickt eben anders als andere Menschen. Er reagiert emotional, nicht vernunftmäßig. Wir dürfen nicht vergessen, dass er einen heftigen Schock erlitten hat, als er Iris’ Leiche entdeckte. Vielleicht hat Iris ihm anvertraut, dass die Kette ihr viel bedeutet?«
Möller schüttelt den Kopf. »Höchst unwahrscheinlich.«
»Finde ich auch«, doppelt Kunz nach.
»Wenn man bedenkt, wie sehr der Eierkari an Iris gehangen hat, ist eine solche Erklärung überhaupt nicht abwegig«, protestiert sie.
Möller springt auf, reibt sich das Kreuz. »Man hat auf der Kette keine Fingerabdrücke von Honegger gefunden. So, ich muss los. Es gibt eine Menge zu tun.«
»Bloß noch eine Frage. Wann genau wurde Edelmann festgenommen?«
»Kurz vor elf.«
»Das könnte hinhauen. Der Mann, der dem Eierkari gedroht hat, ist kurz vor acht im Krankenhaus aufgetaucht. Das hat mir eine Pflegerin bestätigt. Allerdings wurde der Mann von allen als groß beschrieben, Edelmann ist höchstens von mittlerer Statur.«
»Der Täter könnte einen Drogenabhängigen oder einen Obdachlosen angeheuert haben. Die machen für Geld alles«, schlägt Kunz vor.
Sie enthält sich eines Kommentars, obwohl es dazu eine Menge zu sagen gäbe. Schwerfällig steht sie auf. Dieses verdammte Knie, denkt sie wütend. Es ärgert sie, dass Möller ihre körperliche Schwäche mit einem Schmunzeln quittiert.
»Das würde auch die eigenartige Erscheinung erklären«, fährt Kunz fort.
»Ich fahre jetzt ins Spital. Vielleicht bringe ich den jungen Honegger dazu, auszusagen.«
»Bitte verängstigen Sie ihn nicht noch mehr. Sein psychischer Zustand ist sehr labil. Wir dürfen die Möglichkeit nicht ausschließen, dass er sich wieder in sich zurückzieht, wenn sein Stress zu groß wird. Ich glaube nicht, dass er dann noch einmal zurückkehrt.«
»Seien Sie unbesorgt, Frau Jung, ich weiß, was ich tue«, erwidert Möller kühl.
»Das will ich hoffen«, entgegnet sie ebenso kühl und verlässt den Raum, ohne sich zu verabschieden.
Sie steigt in ihr Auto und fährt zu ihrem Vater nach Zürich.
»Du siehst besser aus«, begrüßt sie ihn mit einem Kuss auf die Wange.
»Ich fühle mich hervorragend. Der Husten plagt mich nur noch nachts.«
Sie freut sich über seine gute Laune. »Ein hübscher Schal.« Sie zeigt auf seinen Hals.
»Es wäre mir lieber, im Sommer keinen Schal tragen zu müssen. Außerdem finde ich das Rot zu auffällig. Ich trage ihn nur Schwester Natalia zuliebe.«
»So, so, ihr zuliebe …«
»Was ist daran so komisch? Meinst du, alte Männer sind immun gegen hübsche Frauen? Hä?«
»Die Rothaarige?«
»Ja, die Rothaarige«, erwidert er unwillig.
»Vater, die Zeiten, wo man das Pflegepersonal Schwestern nannte, sind vorbei. Diese Frauen wollen bei ihrem Namen genannt werden.«
»Ach was, sie mag es, wenn ich sie Schwester Natalia nenne. Und dass du es weißt, sie mag es auch, wenn ich ihr Komplimente mache.«
»Ehrlich gesagt, hätte ich dir das nicht mehr zugetraut.«
»Du siehst übrigens heute auch nicht schlecht aus.« Seine Augen mustern sie. »Könnte es sein, dass du dich verliebt hast?«
»Verliebt?«
»Ja, verliebt. Schau mich nicht so dämlich an.«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Dann finde es heraus. Wenn ich du wäre, würde ich keine Zeit verlieren. Du bist auch nicht mehr die Jüngste.«
Sie schaut ihn empört an.
»Ich hoffe bloß, dass er deinem Mundwerk gewachsen ist.«
»Keine Sorge. In dieser Hinsicht ist er mir ebenbürtig.«
»Vicki, es ist noch nicht zu spät, dich mit einem Mann zusammenzutun.«
»Zu spät ist es nie. Du hast dich ja auch wieder verliebt.«
»Ach was, ich bin ein alter,
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