Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
von negativer Energie, die den Steinbockmann davon abhielt, sich zu erholen und wieder voll einsatzfähig zu werden. Die se Strategie erlaubte es Yu Kon, Hylda langsam, aber sicher niederzuringen und sich den zweiten Angreifer vom Hals zu halten. Wenn das so weiterging, würde Yu Kon siegen. Er würde Hylda schwächen, bis sie sich nicht mehr wehren konnte, und dann beide Zauberer nacheinander töten.
Für Lisandra spielte es im Grunde keine Rolle, wer den Kampf gewann. Alle drei Zauberer waren ihre Feinde und mit keinem von ihnen konnte sie es auch nur ansatzweise aufnehmen. Ihr blieb nur die Flucht. Aber als kleiner Vogel, der es nicht schaffte, sich aus eigener Kraft zurückzuverwandeln, waren ihre Erfolgsaussichten katastrophal schlecht. Trotzdem – sie musste es versuchen. Langsam, Schrittchen für Schrittchen, entfernte sie sich vom Kampfgeschehen. Es ging leichter, wenn sie den Kämpfenden den Rücken (oder vielmehr die Schwanzfedern) zudrehte und in ihre Fluchtrichtung starrte, auch wenn es da nicht viel mehr zu sehen gab als Schnee, Schnee und noch mal Schnee. Ein grünes Licht, das unter ihren Füßen hindurch über den Schnee krabbelte und in der Ferne verschwand, veranlasste sie jedoch, noch einmal zurückzuschauen.
Sie sah nur Yu Kon und Hylda, die umeinander wirbelten, in Dutzenden von unterschiedlichen Gestalten. Etwas Größeres lag bewegungslos im Schnee. Das musste Grohann sein! War das grüne Licht, das unter Lisandras Vogelfüßen über den Boden in alle Richtungen geflohen war, Grohanns letzter Lebensfunke gewesen? War er tot? Hatte ihn Yu Kon erledigt?
In diesem Moment wurde der ganze Himmel grün. So wie ein Himmel rosa oder gelb aussehen kann, wenn die Sonne golden untergeht, so hatten jetzt alle Wolken und alle Schneeflocken einen grünen Schimmer. Yu Kon bemerkte es wohl, konnte sich aber nicht damit befassen, da es Hylda gelungen war, sich mehr Freiraum zu verschaffen. Er musste ihr zuvorkommen, sonst hätte er ihr gegenüber seine überlegene Position verloren.
Lisandra konnte sich keinen Reim auf das grüne Leuchten machen, doch ihr kam es in den Sinn, dass Grohann seinen Tod womöglich vorgetäuscht haben könnte, was Yu Kon dazu veranlasst hatte, seine Aufmerksamkeit von dem Steinbockmann abzuziehen. Ein Fehler, der sich nun rächte: Denn das grüne Leuchten verlangsamte Yu Kons Bewegungen. Lisandra sah es daran, wie Hylda mehr und mehr Raum gewann und Treffer setzte, zu denen sie vorher nicht in der Lage gewesen war. Es wurde immer sichtbarer – das grüne Licht lähmte Yu Kon und verschaffte Hylda bald einen so entscheidenden Vorteil, dass sie zu einem tödlichen Hieb ausholte, der Yu Kons Kopf von seinem Leib trennte , woraufhin Rumpf und Kopf in hohem Bogen davonflogen – in zwei unterschiedliche Richtungen. Das grüne Leuchten zog sich daraufhin zusammen und kehrte in die am Boden liegende Gestalt zurück. Grohann richtete sich auf, kaum dass das Leuchten in ihm verschwunden war.
„Alle Achtung!“, hörte Lisandra Hylda sagen. „Fast wäre ich auch darauf reingefallen!“
„Das Lob ist unangebracht“, sagte Grohann. „Der Plan entstand aus einer Notlage heraus.“
„Noch drei solche Notlagen und wir haben ihn!“
Hyldas Stimme klang erschöpft. Auch Grohann hatte Mühe, aufrecht zu stehen. Er war angeschlagen. Als Yu Kon wieder auftauchte (er kam in gemächlichem Tempo anspaziert und setzte sich währenddessen seinen Kopf zurück auf die Schultern), war er eindeutig durchsichtig, einem Trugbild ähnlich, denn man sah hinter ihm die Schneeflocken zu Boden fallen.
Hylda verlor keine Zeit. Sie wurde ein weißer Vogel, der im Schneegestöber verschwand und nicht wieder auftauchte. Yu Kon blieb stehen, wo er war, und ging in Kampfstellung. Es war ein Nachteil für ihn, dass er zwei Gegner im Auge behalten musste, wovon der eine gerade nicht zu sehen war. Grohann aber griff nicht an, sondern blieb seinerseits stehen, wo er war, und rief:
„Es gibt da noch etwas, das du wissen solltest, bevor du endgültig von uns gehst, Yu Kon!“
Der alte Meister antwortete nicht. Er verharrte wachsam in seiner Position, als sei nichts gesagt worden.
„Mein Großvater hat mir etwas verraten, als ich noch ein Kind war. Etwas über dich und Otemplos!“
Yu Kon schwieg.
„Wenn du jetzt versagst, Yu Kon, wird es die ganze Welt erfahren!“
Das war der Moment, in dem Hylda zuschlug, und sie hätte keinen besseren wählen können. Denn Yu Kon war abgelenkt und verärgert. Grohann
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