Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
begegnete sie Wanda Flabbi, die mit einem wahrhaft teuflischen Gesichtsausdruck eine heiße Suppenschüssel in Richtung Schulgarten transportierte. Im hinteren Teil der Festung traf Scarlett auf zwei Maküle, die ihre wachsamen Runden drehten, und kurz darauf auf die Kommandantin, die verbotenerweise im Gang Schwalmkraut rauchte . Sonst war niemand mehr unterwegs.
Nachdem Scarlett die Stiege zum siebten Stockwerk hinaufgestiegen war, ging sie auf Zehenspitzen weiter, um ihre Freundinnen nicht aufzuwecken. Doch als sie vor der Tür von Zimmer 773 stand, hörte sie lebhafte Stimmen und lautes Gelächter. Die hatten ja gute Laune! Scarlett öffnete neugierig die Tür und ließ vor Überraschung einen leisen Schrei los: Denn mitten im Zimmer auf ihrem Bett saß Gerald im Schneidersitz und redete mit beiden Händen. Er war gut gelaunt, sah so selbstbewusst, lässig und umwerfend aus wie immer und hielt vier Mädchen, einen ehemaligen Stoffhasen und ein Strohpüppchen bei Laune, indem er ihnen erzählte, was sein Vater in seinem Schloss Moos Eisli mit dreiäugigen Meriden anstellte.
„Er sagt immer, meine Mutter spinnt, aber nach der letzten Nacht bin ich davon überzeugt, dass er der größere Spinner von beiden ist.“
„Und was bist dann du?“, fragte Lisandra. „Sohn zweier Spinner?“
Gerald konnte nicht antworten, denn Scarlett sprang auf ihr Bett, umschlang Gerald mit beiden Armen und vergrub ihr Gesicht in seinen Haaren. Gerald hatte Mühe, nicht vom Bett zu kippen. Er schwankte kurz bedenklich, dann fing er sich wieder und packte das wilde Mädchen, das ihn gerade überfiel, mit beiden Armen, um es in eine Position zu rücken, die seinem Gleichgewicht zuträglicher war.
„Sieh an, meine Lieblingshexe!“, rief er. „Ich habe gehört, dass du neuerdings auf Hoheiten stehst!“
„Unsinn!“, widersprach Scarlett und strich sich die zerzausten schwarzen Haare aus dem Gesicht. „Wir reden nur wieder miteinander.“
„Bis tief in die Nacht?“
Scarlett machte den Mund auf, um sich zu rechtfertigen, doch da merkte sie, dass Gerald weder betrübt noch eifersüchtig aussah, sondern nur in der Laune war, sie zu ärgern.
„Er ist begabter, mächtiger und reicher als du!“, gab sie zurück. „Was hast du erwartet?“
„Von einer bösen Hexe? Nichts anderes als das!“
„Wieso hat mit keiner Bescheid gesagt?“, fragte Scarlett ihre Freundinnen. „Ihr hättet mich holen können!“
„Ach“, sagte Lisandra, „es ist angenehmer, mit Gerald zu reden, wenn du nicht an ihm dranklebst!“
Hierauf rückte Scarlett gleich ein paar Zentimeter von Gerald fort. Das wollte sie nun doch nicht auf sich sitzen lassen: eine alberne Klette zu sein, die ihren Freund nicht loslassen konnte.
„Ich bin jetzt auf dem neuesten Stand“, sagte Gerald. „Ist ja nicht gerade ermutigend, was hier so passiert.“
„Nein“, sagte Scarlett. „Hörst du das Brummen?“
Es brummte mittlerweile jede Nacht. Es war leise, doch unheimlich, vor allem, wenn man wusste, dass es von einem gefährlichen Gefangenen hervorgerufen wurde.
„Ich frage mich, was sie machen, wenn es schlimmer wird.“
„Die Schule schließen“, sagte Berry. „Du weißt doch noch, was Viego am Ende der Ferien gesagt hat.“
„Wie bist du hergekommen?“, fragte Scarlett. „Und wie lange bleibst du?“
„Mein Vater hat mich geholt und ich hatte das Vergnügen, eine schlaflose Nacht auf seinem Schloss zu verbringen. Heute Morgen bin ich mit Viego aufgebrochen und vor ein paar Stunden kamen wir hier an. Lulu ist für drei Wochen in einer Ferienfreizeit und meiner Mutter geht es etwas besser. Sie kann eine Weile ohne Besuch auskommen.“
„Das heißt, du bleibst drei Wochen?“, fragte Scarlett mit leuchtenden Augen. „Das ist ja wunderbar! Aber du musst dich vor Grohann in Acht nehmen!“
„Wird schwierig. Maria und ich haben morgen nach dem Frühstück eine Verabredung mit ihm!“
„Was?“
Scarlett schaute Maria an und die zuckte ratlos mit den Schultern.
„Weiß nicht, was er von uns will. Es wird etwas mit der Spiegelwelt zu tun haben.“
„Das klingt nicht gut!“
„Was klingt schon gut in diesem Winter?“, fragte Maria. „Ich glaube nicht, dass er uns auffrisst. Das letzte Mal hat er mir das Leben gerettet, also bin ich ganz zuversichtlich.“
„Du hast keine Ahnung, was er von dir will?“, wollte Scarlett von Gerald wissen.
„Nicht direkt“, antwortete er. „Er hat rausbekommen, dass ich das Erdenkind bin, das sich
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