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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Er überlegte, ob er zeigen sollte, dass er die Veränderung registrierte, und entschloss sich, es zu tun. Schließlich zielte dies alles höchstwahrscheinlich auf ihn ab, und in seiner Lage brauchte er jemanden, der ihm wohlwollend gesonnen war.
    »Sie sehen gut aus, Lucy.«
    Ihre Augen wurden schmal und wütend. »Was soll das?«
    »Entschuldigung. Ich finde einfach, Sie sind sehr gut angezogen heute Abend, und ich wollte es Ihnen sagen.«
    »Darin hast du Routine, was? Irgendwelchen Frauen dumme Komplimente zu machen. Ich wette, du bist einer der größten Anmacher von New York.«
    »Das stimmt nicht. Ich ziehe nicht herum und mache wahllos Frauen an, wenn Sie das meinen.«
    »Ach, nein? Bist du mit einer fest zusammen?«
    »Derzeit nicht, nein.«
    Sie setzte sich auf den Stuhl und schlug die Beine übereinander.
    Wie sie so dasaß, hatte sie irgendwie Stil, und das bestärkte Ted in seiner Meinung, dass sie keineswegs immer in der Gosse gelebt hatte.
    »Woher kommen Sie, Lucy?«
    »Wie - woher ich komme?« Lucys Stimme klang sehr aggressiv, aber da sie blieb, obwohl es ihr ein Leichtes gewesen wäre, den Raum zu verlassen, nahm Ted an, dass sie in Wahrheit gar nicht so wütend war.
    »Wer ist Ihre Familie? Wo leben Ihre Eltern?«
    »Das geht dich einen Scheißdreck an!«
    »Okay, okay. Ist Ihnen nicht kalt?«
    »Nein.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    Dann sagte Lucy unvermittelt: »Mein Vater ist schon lange tot. Er starb, als ich siebzehn war.«
    »Das tut mir leid.«
    »Er hat sich totgearbeitet. Ist so verrückt dem Geld hinterhergejagt, bis er einen Infarkt bekam und mitten auf der Straße abschnappte. Er war Leiter einer Werbeagentur in Philadelphia.«
    »Sie sind dort aufgewachsen?«
    »Ja. In sehr feudalen Verhältnissen.« Sie sah ihn herausfordernd an. »Glaubt man nicht, wie?«
    »Doch«, sagte Ted, »ich war sicher, dass es so ist.«
    »Wieso?«
    »Es ist Ihre Art, zu sprechen und sich zu bewegen. Selbst wenn Sie die abgefetztesten Klamotten der Welt tragen, können Sie nicht verbergen, dass Sie aus guter Familie kommen.«
    Lucy sah ihn verächtlich an. »Gute Familie! Wenn ich das schon höre! Das ist genau das Scheißdenken, von dem ich die Nase so verdammt voll hatte. Gute Familie! Das war der Lieblingsausdruck meiner Mutter, und es war das, wonach sie Menschen einteilte. Sie fragte nicht, welchen Charakter jemand hat, sie fragte nur, kommt der oder die aus einer guten Familie. Wenn ja, war alles in Ordnung. Wenn nein, hatte man keine Chance bei ihr.«
    »Ihre Mutter lebt noch?«
    »Ja. Aber ich habe seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr.«
    »Dann wissen Sie aber nicht genau, ob sie noch lebt?«
    »Nein. Aber wieso sollte sie tot sein? Im Übrigen ist es mir auch egal.«
    »Ich könnte so nicht leben«, sagte Ted.
    »Wie könntest du nicht leben?«
    »So ganz ohne Bindungen. Ohne zu wissen, wohin ich gehöre. Ich meine, ich könnte nie sagen: Ich habe fünf Jahre lang nichts von meiner Mutter gehört, und es ist mir egal, ob sie noch lebt. Verstehen Sie, das ist so undenkbar für mich. Ich habe auch oft Ärger mit meinen Eltern gehabt, ich habe auch jetzt noch oft Ärger, aber ich liebe sie, und sie lieben mich. Ich würde das nie aufgeben.«
    Lucy kramte eine Zigarettenschachtel hervor, hielt sie Ted hin. Er nahm sich eine Zigarette, zog ein Feuerzeug aus der Tasche und gab erst Lucy, dann sich Feuer. Lucy nahm einen tiefen Zug. »Das klingt sehr nach heiler Welt, und ich glaube, du kannst so nur leben, weil du deine Eltern und alles, was sie repräsentieren, nie in Frage gestellt hast. Du hast nie versucht, einen eigenen Weg zu gehen, du hast alles kritiklos von ihnen übernommen. Du ziehst dir schöne Kleider an, du beachtest alle Konventionen der sogenannten ›besseren Kreise‹, du fährst wahrscheinlich ein schickes Auto, du erlernst einen anständigen Beruf, der dich zweifellos einmal sehr reich macht, du jettest in der Welt herum, lebst in schönen Hotels, und wenn da und dort die Welt einmal nicht so rosig aussieht, dann schaust du eben nicht so genau hin. Denn wenn du hinschauen würdest, dann könnten dir Zweifel kommen an der Lebensweise deiner Eltern, an den Pelzmänteln deiner Mutter und dem Champagnerkeller deines Vaters und an euren Kaviarpartys und an dem ganzen Glanz und Glitzer, mit dem ihr euch ständig umgebt. Verstehst du? Wenn du der Welt da ins Auge siehst, wo sie sich von ihrer hässlichsten und brutalsten Seite zeigt, wirst du Schwierigkeiten haben, den Luxus, mit dem

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