Mondscheingeflüster
du dich umgibst, in vollen Zügen zu genießen, das verspreche ich dir.«
»Lucy, leider besteht da kein unmittelbarer Zusammenhang. Wenn ich einen Schluck Champagner weniger trinke, rettet das nicht einem Kind in Kalkutta oder Gott weiß wo das Leben. Wir spenden natürlich viel Geld, und ...«
»Klar spendet ihr. Aus vollem Herzen und tief aus dem Geldbeutel. Aber wie wäre es, wenn ihr dort hingehen würdet, wo das Leid zu Hause ist? In die Straßen von Kalkutta oder in die ausgedörrten Wüsten von Äthiopien? Wenn ...«
Ruhig unterbrach Ted das Mädchen. Er glaubte, sie jetzt ein bisschen zu verstehen.
»Und wo bist du? Bist du dort?«
Sie starrte ihn an, nahm dann einen heftigen Zug an ihrer Zigarette.
»Scheiße«, sagte sie. »Ich bin ohnehin kaputt.«
»Leidest du unter der Welt?«
»Ja. Ja, jeden einzelnen Tag. Und ich kann Menschen wie dich nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, wie einer nicht leiden kann. Wie könnt ihr so verdrängen? Warum bleibt euch das feine Fressen nicht im Hals stecken, wenn ihr an die Welt denkt?«
»Weil es nichts nützen würde.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann fragte Ted: »Warum bin ich hier? Was macht ihr, du und deine Freunde? Was wolltet ihr in Kathrins Hotelzimmer?«
»Das beantworte ich dir nicht.«
»Dann sag mir wenigstens, stimmt es, dass ihr Kathrin auch geschnappt habt? Oder wolltet ihr nur mich damit ködern? Bitte, sag es mir, ich mache mir Sorgen um dieses kleine dumme Mädchen aus Deutschland.«
Lucy überlegte, dann meinte sie zögernd: »Okay. Das kann ich dir sagen. Nein, Kathrin ist nicht hier. Sie läuft noch munter irgendwo da draußen herum.«
»Gott sei Dank«, sagte Ted erleichtert.
»Hast du was mit ihr?«, fragte Lucy.
»Nein. Sie ist ein richtiges Baby. Aber ich fühle mich ein bisschen verantwortlich.«
»Du musst dir keine Sorgen machen. Es wird ihr nichts passieren.« Lucy stand auf und ging zur Tür. »Ich gehe schlafen. Gute Nacht.«
Sie war schon halb draußen, da hielt Teds Stimme sie noch einmal zurück.
»Und was ist mit mir? Wird mir auch nichts passieren?«
Lucy schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Wir sind keine Gangster!«
Aber Ted hatte ihr Zögern gespürt.
Kathrin schlief bis weit in den Morgen. Sie war sehr spät ins Bett gekommen, hatte noch ein stundenlanges Verhör wegen des Heroins über sich ergehen lassen müssen. 250 Gramm hochwertiger Stoff - das Phlegma, das die Beamten zunächst an den Tag gelegt hatten, war größter Geschäftigkeit gewichen. Der Fund in der Handtasche hatte dem Fall ganz neue Akzente verliehen.
Zwischendurch hatte Kathrin sogar das Gefühl gehabt, dass man auch sie verdächtigte, in die ganze Geschichte verwickelt zu sein. Sie hatte das ein paar Andeutungen des sie - in holprigem, schlechtem, kaum verständlichem Deutsch - verhörenden Beamten entnommen. Aber Mike hatte sie beruhigt. »Dass sie alles aufklären müssen, ist völlig normal. Ich hätte dich vielleicht darauf vorbereiten sollen, aber ich habe nicht daran gedacht. Wirklich, du musst dir deswegen keine Sorgen machen!«
Überdreht und verwirrt war sie dann ins Bett gefallen. Was sie jetzt weckte, war das Klingeln des Telefons.
Janes Stimme klang ganz fremd - zittrig und verstört. »Kathrin, entschuldige, dass ich schon wieder störe. Aber inzwischen mache ich mir wirklich schreckliche Gedanken. Stell dir vor, Ted ist immer noch nicht aufgetaucht! Das hat es noch nie gegeben. Natürlich war er schon oft über Nacht weg, aber dann hat er immer vorher etwas gesagt! Ich habe bei allen Mädchen angerufen, die ... nun, die in Frage kommen, aber keine hat etwas von ihm gehört.«
»Vielleicht ist er bei einem Mädchen, das du nicht kennst oder von der er eben noch nie gesprochen hat«, meinte Kathrin, obwohl ihr dieser Gedanke immer noch ein bisschen wehtat. »Ich habe ihn seit dem Abend bei euch nicht gesehen.«
»Wahrscheinlich mach ich mir viel zu viele Gedanken, Ted ist schließlich erwachsen. Aber in dieser Stadt passiert so viel ...«
Das kann man wohl sagen, dachte Kathrin.
Jane versuchte deutlich, sich zusammenzureißen. »Na ja ... kommen deine Eltern nicht heute zurück?«
»Ja. Ich weiß nur noch nicht genau, wann. Ich freue mich schon sehr!«
Sie freute sich tatsächlich. Irgendwie hatte sie genug von New York. Erst die Misere mit Ted, dann der Albtraum im nächtlichen Central Park, dann das Heroin. Sie hatte es satt. Sie wollte endlich wieder friedlich leben.
Gleich nach dem Frühstück rief
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