Mondscheingeflüster
nicht telefonisch zu tun, sondern einen Beamten hinzuschicken.«
»Du hättest hingehen sollen«, meinte Diane. »In so einem Moment ...«
»Das ging ja nicht, ich musste doch am Telefon bleiben. Für den Fall, dass sie eben mit mir sprechen wollten, oder dass sie Ted mit mir sprechen lassen wollten. Wir saßen alle in meinem Zimmer im Halbkreis um das Telefon herum - Mike, ich, drei Beamte - und warteten ...«
Ted hatte gesagt, zwei Stunden später würde der nächste Anruf erfolgen, und es diente womöglich der Zermürbung des Gegners, dass schließlich fast drei Stunden verstrichen, ehe sich die Entführer wieder meldeten. Mike nahm das Gespräch an, er war auserkoren worden, die Verhandlungen zu führen. Der leitende Sergeant ging an den anderen Apparat.
»Ja?«, sagte Mike.
»Wer sind Sie?«
»Ein Freund von Kathrin, Amerikaner. Ich spreche Englisch, wie Sie es verlangt haben. Wer sind Sie?«
»Das ist uninteressant. Die Polizei ist eingeschaltet? Lügen Sie mich nicht an. Ich bin sicher, die Bullen sind dabei!«
Sie hatten beschlossen, mit offenen Karten zu spielen, da alles andere zu unwahrscheinlich gewesen wäre. Daher antwortete Mike: »Natürlich. Kathrin hat die Polizei informiert, nachdem Sie Ihr Zimmer durchsucht hatten. Außerdem wurde ...«
Der Mann am anderen Ende stand unter Zeitdruck, daher unterbrach er Mike sofort: »Sie haben das Heroin?«
»Ja.«
»Wir wollen es haben. Ich werde wieder anrufen und Ihnen genaue Anweisungen für die Übergabe geben. Eines sollen Sie wissen: Ein Versuch Ihrerseits, uns zu hintergehen oder uns eine Falle zu stellen, hat den sofortigen Tod der Geisel zur Folge. Sie sollten das sehr ernst nehmen.«
»Ich nehme das ernst. Aber Sie sollten auch ...«
Ein Klicken in der Leitung. Der Anrufer hatte aufgelegt.
»Scheiße«, sagte der Sergeant. »Das war natürlich zu knapp. Die sind nicht blöd. Nicht feststellbar, woher das Gespräch kam.«
»Sollen wir Beweise verlangen, dass sie Ted tatsächlich haben?«, fragte Mike. »Ich meine, ein Foto oder etwas in der Art.«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Im Grunde haben wir das durch Teds Gespräch vorhin mit Kathrin. Was hätten wir von weiteren Beweisen? Zeitgewinn, aber ich fürchte, das bringt uns nichts in diesem Fall. Die Frage ist, was tun wir? Gehen wir auf die Forderung ein?«
»Es bleibt uns nichts anderes übrig«, sagte Mike. »Wir können nicht wegen 250 Gramm Heroin ein Menschenleben riskieren. Wir müssen uns auf die Geschichte einlassen.«
Der Sergeant nickte. »Aber wir müssen die dabei hochgehen lassen. Das sind vermutlich professionelle Dealer. Am Ende schnappen wir einen ganzen Rauschgiftring dabei.«
Mike hielt das für nicht sehr wahrscheinlich. »Ich glaube nicht, dass diese Leute übermäßig professionell sind. Ich gebe zu, 250 Gramm Heroin in dieser Qualität sind eine ganze Stange Geld, aber sie sind das Risiko nicht wert, das die eingehen. Profis würden sich nicht in eine Entführungsgeschichte verstricken lassen, um an das Zeug heranzukommen, sie würden sich ärgern und den Stoff im Übrigen abschreiben. Das sind kleinere Kaliber, mit denen wir es zu tun haben. Sie nehmen unvernünftig viel Gefahr auf sich, wobei ich glaube, die sind in etwas hineingeschlittert, was so überhaupt nicht geplant war, und anstatt wenigstens in letzter Sekunde von diesem immer schneller rollenden Wagen abzuspringen, verrennen sie sich noch tiefer in die ganze Geschichte. Nein, meiner Ansicht nach sind die reichlich unbedarft. Was sie keineswegs ungefährlicher macht.«
Dem Sergeant war die Verärgerung über Mikes Worte deutlich anzusehen. Er träumte natürlich insgeheim von einem großen Fang, der ihn in den Augen seiner Vorgesetzten in ein glänzendes Licht tauchen würde. Er mochte keine Unkenrufe hören.
»Wir werden die Übergabe vereiteln, das steht fest«, sagte er. »Bloß - in dieser Hinsicht können wir im Augenblick nichts planen. Wir müssen warten, bis die verdammten Kerle sich wieder melden.«
Sie bestellten beim Roomservice Kaffee für alle und richteten sich auf längeres Warten ein.
Mike erklärte Kathrin leise, was zwischen ihm und dem Sergeant gesprochen worden war und fügte wispernd hinzu: »Der Kerl ist ein Arschloch, das war der schon immer. Hat nur sein eigenes Fortkommen im Auge. Der hofft jetzt auf eine Super-Geschichte, bei der er sich von oben bis unten mit Ruhm bekleckern kann.«
Schweigend tranken sie alle ihren Kaffee. Kathrin merkte, dass Mike sehr
Weitere Kostenlose Bücher