Mondscheingeflüster
festgehalten werde. Es geht um Heroin, das aus mir schleierhaften Gründen in den Besitz von Kathrin Roland gekommen ist, und das ihr jetzt unbedingt zurückhaben wollt. Daraus schließe ich, dass ihr euch alle in der Branche bewegt, in der dieser Chick schon war, als er dich traf: Ihr handelt mit Rauschgift. Wo ist das soziale Gewissen, Lucy, von dem du gesprochen hast? Was du tust, widerspricht all deinen Idealen.«
»Du hast von nichts eine Ahnung«, sagte Lucy wieder, »von überhaupt nichts!«
Sie kramte eine Zigarette hervor, rauchte hastig und hüllte sich in Schweigen.
Es war wieder Mike, der das Gespräch mit dem Anrufer führte. Und am anderen Ende war wieder ein Mann, aber ein anderer als vorhin, einer mit einer viel raueren Stimme.
»Es gibt ein Haus in der 85. Straße East. Nummer 435. Dort auf der Treppe ist ein Stein locker. Darunter liegt die neue Anweisung.«
»Wer soll fahren?«, fragte Mike.
»Sie fahren. Allein. Ohne Bullen. Und noch etwas: Die Eltern dieses Jungen, den wir hier bei uns haben, sollen hunderttausend Dollar lockermachen. Die wollen wir zusätzlich zu dem Stoff. Dann passiert nichts.«
»Das ist eine neue Perspektive. Wir müssen ...«
Der andere legte auf.
»Scheiße«, sagte Sergeant Morton, »die bleiben stur unter ihren zwei Minuten.«
Einige Sekunden herrschte Schweigen im Raum.
»Was ist los?«, fragte Kathrin.
»Die wollen hunderttausend Dollar für Ted«, sagte Mike. »Offenbar sind sie dahintergekommen, dass sie eine fette Beute gemacht haben. Sie wollen es jetzt richtig ausschlachten.«
»Das ist ja ungeheuerlich!«, rief Kathrins Mutter. »Wir sind doch hier nicht im Wilden Westen! Drogen, Entführung, Geld ... was wollen Sie jetzt machen? Irgendjemand muss Teds Eltern anrufen und ...«
»Das wird ja auch gemacht«, beschwichtigte Mike. »Glauben Sie, wir wissen, was wir tun.«
»Mike, Sie fahren zu diesem ominösen Haus und besorgen die neue Anweisung«, bestimmte Sergeant Morton. »Ich setze mich mit den Eltern des Entführten in Verbindung. Ich nehme an, die machen wegen des Geldes keine Schwierigkeiten.« Er wandte sich betont liebenswürdig an Kathrins Mutter. »Sie und Ihre Familie brauchen nicht hier zu sitzen und zu warten. Es sieht nicht so aus, als ob die Entführer noch einmal verlangen, Kathrin zu sprechen. Es wäre nur gut, wenn Sie sich in Reichweite halten und das Hotel nicht verlassen würden. Sie können gern in Ihr Zimmer oder in das Hotel-Restaurant gehen.«
»Nun, ich finde, wir sollten ...«, begann Frau Roland, aber ihr Mann zeigte sich einsichtiger.
»Komm, wir brauchen ein bisschen Ruhe«, sagte er und stand auf, »und die Herren können dann hier auch besser agieren. Ich schlage vor, wir essen jetzt erst einmal etwas und warten in aller Ruhe ab, was geschieht.«
Das war seiner Frau überhaupt nicht recht, aber sie fügte sich. Auch Kathrin folgte ihren Eltern hinaus. Sie konnte sich vorstellen, wie Sergeant Morton hinter ihnen drei Kreuze machte und Gott dankte, dass er diese laute und nervtötende Frau los war.
Mike fuhr sofort los, aber wie er Kathrin später erzählte, geriet er in die schlimmste Rushhour und brauchte ewig, um in die 85. Straße zu kommen. Nummer 435 stand zwischen die anderen Bauten gequetscht und war in einer scheußlichen türkisblauen Farbe gestrichen. Mike fand den betreffenden Stein ziemlich schnell und hob ihn hoch; es krabbelten ein paar Käfer an seiner Unterseite, die hier offenbar, vor Schnee und Kälte sicher, ein gutes Leben führten. Ein schmutziger Zettel lag zu seinen Füßen. Er entfaltete ihn vorsichtig.
»Geldübergabe heute Nacht auf der Brooklyn Bridge unten (nicht Fußgänger-, sondern Autoüberquerung!) Stoff nicht vergessen. Kommen Sie allein! Wenn etwas schiefgeht, stirbt die Geisel.«
Mike grinste. Das hätten sie auch am Telefon sagen können, der Umweg über den lockeren Stein wäre nicht notwendig gewesen, ein überflüssiger Schnickschnack, der ihn in seiner Ansicht bestärkte, es mit Anfängern zu tun zu haben. Die hier spielten nach, wovon sie gehört und gelesen hatten. Trotzdem machte er sich Sorgen. Morton war wild entschlossen, die Übergabe platzen zu lassen und einen großen Fang zu tätigen. Aber wie ernst war es den Entführern wohl mit der Drohung: »Wenn etwas schiefgeht, stirbt die Geisel«? Wie viel durften sie riskieren? Er stieg wieder in sein Auto. Geldübergabe heute Nacht. Wann? Eine Zeitangabe fehlte wahrscheinlich ganz bewusst. Er würde sich in
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