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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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nicht jeden, der seine Probleme auf eine andere Weise zu meistern versucht als du, als selbstgerecht bezeichnen. Sei gefälligst nicht so intolerant. Und nicht so selbstmitleidig!«
    »Ich kann auch gehen«, sagte Lucy und stand auf.
    Statt darauf einzugehen, fragte Ted: »Um wie viel Heroin geht es denn bei der Geschichte mit Kathrin?«
    »Zweihundertfünfzig Gramm. Hochwertig.«
    Ted pfiff leise durch die Zähne.
    »Deshalb seid ihr so scharf auf das Zeug. Das ist ganz schön viel Geld, nicht? Wie, um Himmels willen, habt ihr das bezahlen können?«
    »Das geht dich überhaupt nichts an!«
    »Ist ja gut. Ich hab ja nur gefragt, Lucy.« Ted sah sie eindringlich an. »Ich will mich nicht mit dir streiten, und ich will dir auch nicht auf die Nerven gehen. Bitte, ich meine das jetzt wirklich freundschaftlich: Du bist vom Heroin losgekommen, und das war die große Chance deines Lebens. Du hast es gerade noch einmal geschafft, in letzter Sekunde, zu einem Zeitpunkt, an dem viele andere schon verloren sind, weil sie entweder keinen Therapieplatz bekommen oder nicht die Kraft finden, einen Entzug überhaupt zu wollen. Du hast unheimlich viel Glück gehabt, aber du bist schon wieder viel zu nah dran an der Gefahr. Du bewegst dich unter Dealern, das ist so, wie wenn einer, der einen Alkoholentzug gemacht hat, kurz danach in einer Bar arbeitet. Du musst raus aus diesen Kreisen. Du bist doch schon soweit wieder auf deine Füße gekommen. Setz jetzt nicht alles wieder aufs Spiel. Du schaffst es, dir ein normales Leben aufzubauen, ich bin ganz sicher!«
    »Ich schaffe es nicht allein«, sagte Lucy und sah an ihm vorbei zur Wand.
    »Vielleicht«, sagte Ted, »musst du nur den ersten Schritt alleine tun. Vielleicht taucht dann ganz schnell jemand auf, der dich bei der Hand nimmt.«
 
    Es war eine bitterkalte Dezembernacht, windig und eisig, ab und zu schneite es sogar etwas. Mike trug zwei lange Hosen übereinander, einen dicken Rollkragenpullover, seinen alten Armeeparka, dicke Fellstiefel an den Füßen. Trotzdem fror er erbärmlich. Es zog auf der Brooklyn Bridge, und unten vom East River her stieg es noch doppelt so kalt herauf. Eigentlich mochte Mike die alte Brücke, die älteste New Yorks, die Manhattan und Brooklyn verbindet und von der viele sagen, sie sei eine der schönsten der Welt. Heute Abend hasste er sie. Er wickelte seinen Schal fester um den Hals und fluchte leise. Verdammte Bande! Sie hätten sich weiß Gott einen etwas angenehmeren Ort für die Übergabe aussuchen können.
    In der Hand hielt er einen Koffer mit Geld. Zwischen den Scheinen lag das geforderte Heroin. Teds Vater hatte das Geld sofort besorgt und die Polizei beschworen, nichts zu tun, was das Leben seines Sohnes gefährden könnte. Sergeant Morton hatte das natürlich versprochen. Aber genau über diesen Punkt machte Mike sich immer noch Gedanken. Mortons Leute standen überall.
    »Wir schlagen nicht sofort zu«, hatte er Mike beruhigt, »aber wir wissen ja nicht, wie die Geschichte abläuft. Vielleicht haben sie Ted dabei, um ihn gleich auszutauschen. Dann könnten wir versuchen, sie zu kriegen, sobald er nicht mehr von ihnen festgehalten wird.«
    »Ich glaube nicht, dass sie Ted bei sich haben werden. Das wäre zu riskant.«
    »Die können doch nicht davon ausgehen, dass wir ihnen die Dollars und das Heroin nachschmeißen, ohne die geringste Sicherheit, was Teds Freilassung betrifft«, meinte Morton missmutig.
    »Das können sie«, erwiderte Mike, »weil sie unbestreitbar am längeren Hebel sitzen.«
    Er stand auf der elenden Brücke und wartete. Um 21 Uhr war er gekommen, inzwischen war es gleich Mitternacht. Nur noch vereinzelt fuhren Autos vorbei. Einmal hielt eines, ein junger Mann lehnte sich hinaus, und Mike, der dachte, es handele sich um einen der Entführer, merkte, wie sich schon alle Muskeln in seinem Körper anspannten. Aber der Mann dachte nur, Mike habe eine Panne gehabt und brauche Hilfe.
    »Wirklich alles okay?«, vergewisserte er sich zweimal.
    »Ja. Alles okay«, erwiderte Mike betont ruhig, damit der andere schnell verschwände.
    Es war halb eins, als sich langsam ein Auto näherte. Kurz bevor es die Stelle erreichte, wo Mike stand, wurde das Fernlicht eingeschaltet. Das Auto fuhr langsamer und langsamer. Mike blinzelte geblendet.
    Das Auto hielt direkt neben ihm. Das Fenster am Beifahrersitz wurde heruntergekurbelt. Eine Hand streckte sich hinaus. Dahinter erkannte Mike eine undefinierbare Gestalt, getarnt mit Sonnenbrille

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