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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und sehr müde. Ich hatte auch immer häufiger Kopfschmerzen. Ich beschloss, nichts mehr zu nehmen - aber ich fand dann immer eine Ausrede. Entweder es ging um eine Lateinarbeit, die ich auf keinen Fall versieben wollte, oder ich war zu einer Party eingeladen, bei der ich nicht wie ein trauriger Jammerlappen herumhängen wollte. Es war so verführerisch, verstehst du? Ein bisschen Kokain, und das Leben war Klasse.«
    »Ich verstehe«, sagte Ted.
    »Es hätte dir genauso passieren können, sei sicher.«
    Ted schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich hätte immer zu viel Angst gehabt, nicht mehr loszukommen. Ich habe zu viel darüber gelesen. Ich hätte nie geglaubt, nicht süchtig zu werden.«
    Lucy zuckte mit den Schultern. »Na ja, jedenfalls vertraute ich mich schließlich meiner Mutter an, und das war ein ganz idiotischer Fehler. Ich hätte wissen müssen, dass ich auf sie nicht bauen kann. Es war bescheuert von mir zu denken, sie würde mich in die Arme nehmen und sagen, dass sie mir helfen - und bei all dem die Ruhe bewahren wolle. Statt dessen wurde sie völlig hysterisch. Als Erstes sagte sie: Hast du es Dad erzählt? Erzähl es Dad auf keinen Fall! Das war ihre größte Sorge. Daddy steckte schließlich bis über beide Ohren im Berufsstress, weil er sich so unheimlich abmühte, immer mehr Kohle herbeizuschaffen, und mit seinem Herzen hatte er schon Probleme. Meine Mutter drehte von da an immer durch, wenn sie merkte, dass ich wieder was genommen hatte, und sie hatte eine panische Angst, Dad könnte es auch merken. Sie raffte sich auf und ging mit mir zur Drogenberatung, aber die belaberten mich nur, und es änderte sich überhaupt nichts. Dann starb mein Vater an einem Infarkt, und Mum war ein noch größeres Nervenbündel als vorher. Einmal, als mir das Geld ausgegangen war, gab sie mir welches, weil ich unheimlich dringend Kokain brauchte, aber dann bekam sie fast einen Nervenzusammenbruch und einen Weinkrampf und schrie mich an, ich würde in der Gosse landen und vor meinem dreißigsten Lebensjahr tot sein. Irgendwann hielt ich das ganze Theater nicht mehr aus. Ich lief weg und ging nach New York.«
    »Und hier bist du dann irgendwann auf Heroin umgestiegen.«
    »Ja. Ich habe in Kneipen gejobbt und dabei einen Mann kennengelernt, mit dem ich dann ein halbes Jahr lang befreundet war. Er war heroinabhängig, hat mir dann mal eine Spritze gegeben, als ich nichts anderes hatte, dann noch eine und noch eine ... als er schließlich an einer Überdosis starb, war ich bereits abhängig von dem Stoff. Mein Geld reichte vorn und hinten nicht, also ging ich ein paar Mal mit den Gästen in der Kneipe, in der ich jobbte, ins Bett, gegen Geld. Ich tat es dann öfter, immer öfter. Ich kam wahnsinnig runter. Es ging dann plötzlich ziemlich schnell. Ich konnte jeden Tag sehen, wie ich mehr verfiel.«
    »Wie hast du es geschafft, wieder auf die Füße zu kommen?«
    »Durch Chick. Er dealte damals, aber mir verkaufte er nichts, er fand mich eines Nachts im Grand Central, wo ich in einer Ecke zusammengebrochen war. Ich hatte kein Geld, keinen Stoff, und ich wollte sterben. Chick nahm mich mit zu sich und besorgte einen Therapieplatz für mich. Ein Wunder, wenn man bedenkt, wie wenig solche Plätze es gibt. Er half mir, den Entzug durchzuhalten. Das war nun wirklich die Hölle. Ich hab so furchtbare Schmerzen gehabt, Krämpfe, wie du sie dir überhaupt nicht vorstellen kannst. Ich hatte Fieber und entsetzliche Halluzinationen. Ich habe die Pfleger angebettelt um eine Spritze, und zeitweise wäre ich bereit gewesen zu töten, um an Stoff zu kommen. Wenn Chick mir nicht jeden Tag gesagt hätte, dass ich es schaffe, dass es sich lohnt für mich, dass ich mein Leben nicht wegwerfen soll, ich wäre wahrscheinlich aus dem Fenster gesprungen. Es war schrecklich. Ich wünsche es meinem schlimmsten Feind nicht.«
    »Bist du mit Chick befreundet?«, fragte Ted.
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Nicht mehr als mit den anderen. Wir hatten keine Beziehung damals, wenn du das meinst. Er tat es einfach so für mich. Keine Ahnung, warum.«
    Ted sah sie an.
    »Warum handelt ihr mit Heroin?«, fragte er unvermittelt. »Warum du? Du bereicherst dich am Elend von Menschen, die abhängig sind und Hilfe brauchen. Du treibst sie immer tiefer in ihren Teufelskreis hinein, anstatt etwas dafür zu tun, sie dort herauszuholen.«
    Lucys Augen wurden schmal.
    »Was weißt du schon davon?«
    »Deine Freunde haben mir inzwischen mitgeteilt, warum ich hier

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