Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
Vom Netzwerk:
den Kopf. Dann nahm sie ihre Sonnenbrille ab und sah mich eine ganze Weile schweigend an, bevor sie antwortete: "Nein, ich glaube nicht an Wölfe. Ich glaube, dass es wieder beginnt. Genau wie damals."
     
    Es war seltsam, Sam gegenüber zu treten. Noch seltsamer war es allerdings, dass er hier war, bei uns auf der Farm und nicht bei seinen Brüdern. Wie viele Kinder hatten die Hudsons eigentlich? Ich hatte mir die Frage noch nie zuvor gestellt.
    Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte. Eine seltsame Nervosität ergriff von mir Besitz, als ich ihn sah.
    Er saß auf einem der Heuballen, die neben dem Hühnerstall aufgerichtet worden waren und starrte gedankenverloren vor sich hin, als Vanessa mich nach der Schule in der Einfahrt absetzte. Wir beobachteten ihn einen Moment lang schweigend an, bevor ich mich von ihr verabschiedete.
    "Wir sehen uns dann morgen, ja?" Ich vermied es sie anzusehen.
    "Ok… und Lily?"
    "Ja?" Ich hatte schon fast beide Beine aus dem Auto gestreckt, als sie mich vorsichtig an der Schulter berührte.
    "Ich… ich bin nicht verrückt. Wirklich nicht."
    Ich nickte nur und zwang mich zu einem Lächeln. Ich musste unbedingt mit Kimberly reden. Hier schienen alle langsam durchzudrehen. Ich brauchte einen normalen Menschen, der mit mir über normale Dinge redete, auch wenn es sich dabei um meinen untreuen Exfreund handelte. Der war wenigstens real!
    "Schon ok."
    "Bis morgen."
    "Ja." Ich warf die Autotür hinter mir ins Schloss und machte ein paar zögernde Schritte auf das Haupthaus zu. Ich hörte wie Vanessa hinter mir den Wagen wendete und davon fuhr. Was sollte ich machen? Einfach an Sam vorbeigehen? Stehenbleiben? Mit ihm reden? Natürlich wusste er, dass ich wusste, was passiert war. Natürlich…
    "Lily." Er hob den Blick und sah mir direkt in die Augen.
    "Sam… es tut mir leid."
    Er hob abwehrend die Hände. "Komm, setzt dich zu mir." Er wies auf den Heuballen neben sich.
    Zögernd stellte ich meinen Rucksack auf den staubigen Boden und rutschte neben ihn. Das Heu bohrte sich in meine nackten Beine, und ich bewegte mich ein paarmal unruhig hin und her, bis ich eine einigermaßen bequeme Position gefunden hatte.
    "Es ist immer noch so heiß, so ungewöhnlich für September."
    Wollte er mit mir ernsthaft über das Wetter reden? "Ja, stimmt." Mein Kopf war leer. Was sollte ich auch sagen?
    "Warst du schon mal in dem See baden?"
    Ich schüttelte den Kopf, unsicher, ob Sam es überhaupt sah. Er trug wie immer einen Cowboyhut und hielt den Kopf gesenkt, um sich nicht von der Sonne blenden zu lassen. Doch war das wirklich der Grund? Ich hatte den Schmerz in seinem Blick gesehen, als er mich zu sich gerufen hatte.
    Wir schwiegen.
    In der Ferne sah ich einen Traktor die lange staubige Straße hinunter fahren und fragte mich unwillkürlich, wo mein Vater war?
    Und Cal?
    Und meine Mutter?
    Ich warf unauffällig einen Blick über meine Schulter und sah sie durch das geöffnete Küchenfenster. Erleichtert spürte ich, wie meine Anspannung allmählich weniger wurde.
    "Geht es dir gut?"
    Die Frage überraschte mich. "Mir geht’s gut, danke. Und… wie geht es dir ?" Zögernd sah ich ihn an.
    Er hob den Kopf. Seine Augen waren so blau, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob er Kontaktlinsen trug. Seine Wangen waren schmutzig, so als hätte er sich ein paarmal durch das Gesicht gewischt. Bei der Hitze war das auch alles andere als ein Wunder.
    "Ich komme klar."
    Ich nickte. Natürlich kam er klar. Er war ja auch ein ganzer Kerl, dachte ich spöttisch. Wieso konnten Männer eigentlich nie zugeben, wenn es ihnen schlecht ging? Und Sam ging es ganz eindeutig schlecht.
    Wenn ich an das dachte, was Vanessa mir erzählt hatte, musste ich allerdings unwillkürlich grinsen. Mehr als unpassend. Leider hatte ich tatsächlich so etwas wie ein Händchen dafür. Ständig ging mir irgendetwas durch den Kopf und mein Gesicht reagierte dann einfach darauf. Dabei meinte ich es nicht einmal böse. Und schon gar nicht jetzt, wo ich hier zusammen mit Sam saß und an seinen verschwundenen Bruder dachte.
    "Wieso lachst du?"
    "Ich… tut mir leid. Ich musste nur… ich dachte…" Ich kam mir wirklich mehr als unsensibel vor. "Ich… es gibt so viele schräge Geschichten. Ich musste gerade daran denken."
    "Was erzählt man sich denn?" Er sah mich ernst an und mir wurde ganz warm vor lauter Scham.
    "Ach, den üblichen Mist. Kalte Füße vor der Hochzeit, Wölfe… blutsaugende Vampire." Ich lachte wie eine

Weitere Kostenlose Bücher