Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
Vom Netzwerk:
zwang mich, vorerst nicht weiter an irgendetwas zu denken. Voller Unbehagen nahm ich das Glas entgegen.
    Mrs. Mosby schien von alledem nichts zu bemerken und summte fröhlich vor sich hin, während sie uns die angerichteten Teller reichte. Beim Anblick des toten Kaninchens musste ich jedoch wieder unwillkürlich an Jordan denken - und an sein Pferd.
    Auch meine Eltern waren besorgt. Ich hatte sie am Frühstückstisch darüber reden hören, noch bevor sie mich auf der Treppe entdeckt hatten.
    'Konzentriert dich, Lily, denk an was Schönes' - rief ich mich selber zurecht. Benommen starrte ich auf den kunstvoll angerichteten Teller, doch mir war der Appetit vergangen. Tapfer zwang ich mich ein paar Stücke zu essen. Das Fleisch war zart, und ich schluckte es mühelos fast ohne zu kauen hinunter.
    Vanessa blieb stumm, während ihre Mutter mir allerhand Frage über New York stellte. Sie war noch nie dort gewesen, und es machte mir sogar Spaß, ihr ein wenig davon zu erzählen. Ich wollte nicht mehr an die Geschehnisse der letzten Nacht denken. Nicht jetzt, am liebsten sogar überhaupt nicht mehr.
    Nach dem Essen lotste Vanessa mich jedoch gleich nach oben in ihr Zimmer, noch bevor ihre Mutter irgendwelche anderen Vorschläge machen konnte. Ich wusste nicht, ob ich ihr dankbar dafür sein sollte. Auf weitere haarsträubende Theorien war ich nämlich alles andere als scharf.
    Vanessas Zimmer sah ganz genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte: ohne viel Schnickschnack, ganz in schwarz mit allerhand übelaussehenden Postern und einer großen Stereoanlage, aus der leise Gitarrenmusik tönte. Comichefte lagen überall herum und an einer der Wände hing eine alte Auszeichnung aus der Grundschule, mit der sie für ihre wissenschaftliche Arbeit im Fachbereich Biologie gelobt worden war.
    "Mom kann manchmal ziemlich nerven." Sie schloss die Tür hinter uns und warf sich auf ihr Bett.
    "Auf mich wirkte sie sehr entspannt", gab ich verwundert zurück. "Sie ist nett."
    "Sie ist meine Mutter." Vanessa lachte.
    Ich schüttelte grinsend den Kopf.
    "Sie kriegt gar nicht mit, was hier momentan so abgeht. Sie denkt tatsächlich, die halbe Stadt redet noch immer über ihre Trennung von meinem Vater."
    "Hast du es ihr nicht erzählt?", fragte ich verwundert.
    Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich will sie nicht aufregen. Sie ist ein sehr ängstlicher Mensch. Aber nun erzähl mal, was hat Sam gesagt?"
    "Sam?"
    "Ja, gestern Abend, nachdem ich dich Zuhause abgesetzt hatte. Er saß doch da. Ihr habt doch sicherlich miteinander gesprochen oder willst du mir weiß machen, du bist einfach an ihm vorbeimarschiert, nach allem, was passiert ist?"
    Ich schüttelte langsam den Kopf. "Es war nichts. Er hat nur gesagt, dass ich nicht im Dunklen rausgehen soll und dass er auf mich aufpasst."
    "Ich hab's doch gewusst!", triumphierend sah sie mich an.
    "Ich denke, er meint damit, dass ich mich vor den Wölfen in Acht nehmen soll. Du weißt doch wie er ist, immer ein kleines bisschen belehrend. Als wenn ich nicht selber schon auf den Gedanken gekommen wäre, dass es unklug sein könnte, nachts unterwegs zu sein."
    "Oder er hat das hier gemeint. Sieh mal." Sie nahm ein paar Notizen von ihrem Nachttisch und gab sie mir. "Ich habe gestern Abend noch mal ein bisschen recherchiert."
    Ich warf einen Blick auf einen Stapel ausgedruckter Zeitungsartikel, die sie feinsäuberlich nach Datum sortiert hatte. Sie alle beschäftigten sich mit dem Verschwinden einzelner Mitglieder der Gemeinde Parkerville zwischen Juni 1969 und Januar 1970. Ein Junge mit langen Haaren und einem Oberlippenbart starrte mich von einem schlecht aufgenommenen Schwarzweißbild aus eindringlich an. Es war Kenny Zucker. Er schien allem Anschein nach tatsächlich nicht der Einzige gewesen zu sein, den man leblos aufgefunden hatte. Doch es gab auch Fälle, in denen die Vermissten überhaupt nicht mehr aufgetaucht waren.
    "Ich weiß nicht, was du mir damit sagen willst." Ich sah sie zögernd an.
    "Du weißt genau, was ich dir damit sagen will. Ich weiß, dass du denkst, dass der ganze Kram, den ich lese daran schuld ist." Sie wurde unwillkürlich rot und wies dabei auf einen auffällig großen Stapel Bücher auf ihrem Tisch, den ich zuvor noch gar nicht bemerkt hatte. Vom obersten Titelbild starrte mir ein blutunterlaufendes Paar Augen entgegen.
    "Aber das hat damit nicht wirklich was zu tun." Sie lachte nervös. "Daher kenne ich allerdings überhaupt die ganzen… Legenden über Parkerville. Es

Weitere Kostenlose Bücher