Mondspiel: Novelle (German Edition)
sollten eine Beziehung zu dir haben. Dir entgeht so vieles dadurch, dass du sie nicht kennst, und ihnen entgeht so vieles dadurch, dass sie dich nicht kennen.«
»Du weißt nicht einmal mehr, wer ich bin, Jess«, sagte Dillon mit ruhiger Stimme.
»Genau darum geht es mir ja. Wir bleiben über Weihnachten. Das sind knapp drei Wochen, und somit sollten wir reichlich Zeit haben, einander wieder kennenzulernen.«
»Tara findet meinen Anblick widerwärtig. Glaubst du etwa, ich würde meinem eigenen Kind den Alptraum zumuten, den ich selbst durchmache?« Er lief rasch und unruhig im Zimmer auf und ab, und seine anmutigen, fließenden Bewegungen erinnerten sie so sehr an den Dillon von früher. Er hatte so viel Leidenschaft in sich, so viele Gefühle, die er nicht im Zaum halten konnte. Sie flossen aus ihm heraus und wärmten alle in seiner Nähe, so dass sie sich in seiner Gegenwart sonnen wollten.
Jessica hatte schon immer ein gutes Gespür für jede seiner Gefühlsregungen gehabt. Sie konnte regelrecht sehen, dass seine Seele blutete. Der Schnitt war so tief, dass es nahezu unmöglich war, die klaffende Wunde heilen zu wollen. Aber ihm war nicht damit geholfen, dass sie seiner verdrehten Logik zustimmte. Dillon hatte das Leben aufgegeben. Er hatte sein Herz vor der Welt verschlossen und wollte unter allen Umständen, dass es so blieb. »Tara ist erst dreizehn Jahre alt, Dillon. Du tust ihr Unrecht. Es war ein Schock für sie, aber es ist unfair, sie aus deinem Leben auszusperren, weil ihre Reaktion auf deine Narben die eines Kindes war.«
»Es wird besser für sie sein, wenn du sie von hier fortbringst. «
Jessica schüttelte den Kopf. »Es wird besser für dich sein, meinst du. An sie denkst du nämlich überhaupt nicht. Du bist selbstsüchtig geworden, Dillon. Dadurch, dass du hier lebst und dich selbst bemitleidest.«
Er wirbelte mit einer Geschwindigkeit herum, die ihr den Atem verschlug. Er hatte sich auf sie gestürzt, bevor sie Gelegenheit hatte fortzulaufen. Er hatte sie so fest am Arm gepackt, dass sie sogar durch das Leder seines Handschuhs die dicken Wülste seiner Narben fühlen konnte. Er zog sie so eng an seine Brust, dass jede weiche Rundung ihres Körpers gnadenlos an ihn gepresst wurde. »Wie kannst du es wagen, das zu mir zu sagen.« Sein Blick war finster und eiskalt, glühend vor Kälte.
Jessica war nicht bereit, vor ihm zurückzuweichen. Sie sah ihm fest in die Augen. »Das hätte dir schon vor langer Zeit jemand sagen sollen, Dillon. Ich weiß nicht, was du hier ganz allein in diesem großen Haus auf deiner unwirtlichen Insel tust, aber leben ist es ganz bestimmt nicht. Du bist aus allem ausgestiegen, und dazu hast du kein Recht. Es war deine Entscheidung, Kinder zu haben. Du hast sie in diese Welt gesetzt, und du bist für sie verantwortlich.«
Er sah mit flammendem Blick in ihre Augen und kniff seinen Mund zu einem grausamen Strich zusammen. Sie nahm die Veränderung in seinem Inneren wahr. Die männliche Aggression. Die grimmige Feindseligkeit. Seine Hand grub sich in ihre dichte Mähne und zerrte ihren Kopf zurück. Hungrig presste er seinen Mund auf ihre Lippen. Zornig. Gierig. Es sollte ihr Angst einjagen und sie bestrafen. Sie vertreiben. Er setzte rohe Gewalt ein und verlangte Unterwerfung. Es war eine primitive Vergeltungsmaßnahme, die sie dazu bringen sollte, vor ihm wegzulaufen.
Jessica schmeckte den glühenden Zorn und das brennende Verlangen, sie zu besiegen und ihr seinen Willen aufzuzwingen, aber sie schmeckte auch dunkle Leidenschaft, so elementar und gewaltig wie die Zeit. Sie fühlte, wie die Leidenschaft seinen Körper durchströmte, jeden seiner Muskeln zu Eisen verhärtete und seine Lippen weich werden ließ, obwohl sie eigentlich brutal sein wollten. Jessica ließ diese Attacke passiv über sich ergehen, obwohl ihr Herz raste und ihr Körper zum Leben erwachte. Sie wehrte sich nicht gegen ihn, sie widersetzte sich ihm nicht, aber sie ging auch nicht darauf ein.
Abrupt hob Dillon den Kopf, fluchte und ließ sie los, als hätte er sich an ihr verbrannt. »Verschwinde, Jessica. Verschwinde, bevor ich mir nehme, was ich will. Ich bin selbstsüchtig genug, um es zu tun, verdammt nochmal. Verschwinde und nimm die Kinder mit, ich lasse nicht zu, dass sie hierbleiben. Schlaft heute Nacht hier und kommt mir nicht unter die Augen. Wenn das Unwetter vorübergezogen ist, geht ihr. Ich werde euch von Paul nach Hause bringen lassen.«
Sie stand da, hielt eine Hand auf ihre
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