Mondspiel: Novelle (German Edition)
mir hat er Sorgen bereitet. Und dann kam die Geschichte mit dem Pferd. Trevor und Tara reiten jeden Donnerstag auf einem nahen Gestüt. Jede Woche um dieselbe Uhrzeit. Trevs Pferd hat verrückt gespielt, es hat sich aufgebäumt und sich im Kreis gedreht und gekreischt, es war einfach furchtbar. Das Pferd wäre fast auf seinen eigenen Rücken gefallen. Sie haben im Blut des Tieres ein Rauschmittel entdeckt.« Sie sah ihm fest ins Gesicht. »Das hier habe ich im Stroh in der Box des Pferdes gefunden. « Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als sie ihm das Plektron mit dem unverwechselbaren Design reichte, das vor so vielen Jahren als Geschenk für Dillon Wentworth angefertigt worden war. »Trevor hat zugegeben, es könnte in seiner Tasche gesteckt haben und herausgefallen sein. Das und andere Dinge waren den Kindern anonym zugeschickt worden.«
»Ich verstehe.« Dillons Stimme klang grimmig.
»Die Besitzer des Reitstalls glauben, dem Pferd sei ein Streich gespielt worden, sie sagen, das käme manchmal vor. Die Polizei war der Meinung, Trevor sei der Täter gewesen, und sie haben ihn in die Mangel genommen, bis ich einen Anwalt hinzugezogen habe. Trevor würde so etwas niemals tun. Aber ich hatte den Eindruck, dass da etwas nicht stimmte, zwei Unfälle so kurz hintereinander, und das nur wenige Monate, nachdem der Wagen meiner Mutter außer Kontrolle geraten war.« Jessica trommelte mit dem Fingernagel auf die Kante des Schreibtischs, ein nervöser Tick, wenn sie besorgt war. »Ich hätte die Unfälle als solche akzeptieren können, wenn es damit zu Ende gewesen wäre, aber das war es nicht.« Sie beobachtete ihn ganz genau und versuchte hinter seinen unbeteiligten Gesichtsausdruck zu schauen. »Natürlich sind die Unfälle nicht direkt nacheinander passiert, zwischendurch sind jeweils etwa zwei Wochen vergangen.« Sie wollte unbedingt in seinen blauen Augen lesen, doch sie sah nur Eis.
Jessica zitterte wieder. Die Vorstellung, in einem abgedunkelten Raum mit einem Mann allein zu sein, der eine Maske trug und die Dunkelheit in seiner Seele hütete wie einen Schatz, sandte ihr einen Schauer der Furcht über den Rücken.
»Was ist, Jess?«, fragte Dillon mit ruhiger Stimme.
Was sollte sie darauf antworten? Er war ein Fremder, dem sie nicht mehr blind vertraute. »Warum ist meine Mutter hergekommen? Und wann?«
»Zwei Tage vor ihrem Tod. Ich hatte sie gebeten herzukommen. «
Jessicas Kehle schnürte sich zu. »In sieben Jahren hast du uns nie hierher eingeladen. Weshalb solltest du plötzlich
meine Mutter auffordern, die weite Reise zu unternehmen, um dich zu sehen?«
Er zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. »Weil ich sie nicht besuchen konnte, das liegt doch auf der Hand.«
Wieder schrillten die Alarmglocken in Jessicas Kopf. Er wich der Frage aus und wollte ihr nicht antworten. Es war ein zu großer Zufall, dass ihre Mutter Dillon auf seiner Insel besucht hatte und zwei Tage später mysteriöserweise ihre Bremsen versagt hatten. Die beiden Ereignisse mussten miteinander in Verbindung stehen. Sie blieb stumm, und der Argwohn fand seinen Weg in ihr Herz.
»Was ist sonst noch passiert? Es muss noch mehr vorgefallen sein.«
»Vor drei Tagen haben auch bei meinem Wagen die Bremsen versagt. Es war ein Wunder, dass wir es alle überlebt haben. Der Wagen hatte einen Totalschaden.Außerdem hat jemand im Haus angerufen und den Kindern alte Zeitungsberichte über den Brand zugeschickt. Das Plektron war auch dabei. Die Telefonanrufe waren beängstigend. Deshalb und aufgrund der anderen Zwischenfälle in den letzten Monaten habe ich beschlossen, die Kinder zu dir zu bringen. Ich wusste, dass sie hier in Sicherheit sein würden.« Sie ließ eine Zuversicht in ihren Tonfall einfließen, die sie nicht mehr verspürte. Ihre Instinkte waren in Alarmbereitschaft. »Weihnachten steht vor der Tür – ein perfekter Vorwand, falls jemand unseren Entschluss, dich zu besuchen, hinterfragen sollte.« Sie war so sicher gewesen, dass er in der Vorweihnachtszeit sanfter gestimmt sein würde, empfindsamer und eher bereit, sie alle wieder in seinem Leben aufzunehmen. Sie war zu ihm gelaufen, weil sie Schutz und Trost suchte, und jetzt
hatte sie große Angst, einen gewaltigen Fehler gemacht zu haben.
Dillon beugte sich zu ihr vor. Seine Augen waren lebhaft, sein Blick scharf. »Erzähl mir mehr über diese Anrufe. «
»Es waren Tonbandaufnahmen mit verzerrter Stimme. Der Anrufer hat sie abgespielt, wenn eines der Kinder ans Telefon
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