Mondsplitter
seit etlichen Stunden unterwegs waren, hatten Jerrys Solarzellen die Energie aufgefrischt, und er verfügte weiterhin über fast volle Ladung.
Die Elektroautos der Zwanziger waren viel wirtschaftlicher als ihre benzingetriebenen Gegenstücke. Sie hatten zwar keine Beschleunigungswerte, die nach dem Geschmack der meisten Fahrer gewesen wären, und sie mußten zuzeiten mit Ladestationen verbunden werden, wenn sie nachts oder bei bedecktem Himmel fuhren. Der Ladevorgang war der große Nachteil des Systems, weil er eine halbe Stunde dauerte und schlimmstenfalls alle fünf Stunden nötig wurde, wenn die Umstände nicht paßten. Bei Sonnenlicht war die Reichweite der Fahrzeuge jedoch fast unbegrenzt.
Das Einkaufszentrum Jenkins Point lag auf einem Aussichtspunkt am Westrand des San Joaquin Valleys. »Warum bleiben wir nicht über Nacht hier, Liebes?« schlug Jerry vor.
Die an die Bergflanke geschmiegte Stelle war wahrscheinlich so gut wie jede andere, die sie vielleicht noch fanden. Andere Leute hatten wohl die gleiche Idee gehabt. Etwa vierzig Autos standen auf einem Nebenparkplatz am Südrand der Straße, den Läden gegenüber. Es war noch reichlich Platz.
Jerry bog vom Highway ab. Er fand eine Stelle an einem uralten Bretterzaun, wo sie beide Autos nebeneinander abstellen konnten. Hinter dem Zaun stieg die Bergflanke fast siebzig Meter hoch steil an. Die Kinder fragten, ob sie hinaufgehen durften, verloren aber das Interesse, als Marisa ihnen sagte, daß kein Weg nach oben führte. Als Ersatz willigten sie ein, das Restaurant aufzusuchen, das Pablo’s hieß.
Jerry hatte am äußersten östlichen Rand des Platzes geparkt. Damit hatten sie etwas Distanz zur Masse, und es schien auch eine gute Stelle zu sein, um hier das Teleskop aufzubauen. Links von Jerry fiel das Land abrupt in eine Schlucht ab.
Der Mond wirkte weich, von Nebel umhüllt.
Tomiko folgte als heller, verwaschener Fleck der von seinem Schweif gezogenen Spur den Himmel hinunter. Die Menschen standen auf dem Parkplatz in Gruppen zusammen und blickten hinauf. Niemand redete. Der Verkehr auf der zweispurigen Straße war zum Stillstand gekommen, und die Autos waren leer.
Erin fragte, wo die Mondbasis war. Sie bat Jerry, das Teleskop so einzustellen, daß sie den Mikrobus sehen konnte. Die Zeit reichte dafür jedoch nicht, selbst wenn das Teleskop dazu fähig gewesen wäre, was Jerry bezweifelte.
Die einzige Person, die im Augenblick vielleicht hätte mitverfolgen können, wie der Mikrobus vom Mond startete, war Tory Clark, die die ADCOM-Teleskopphalanx von L1 umgelenkt und angewiesen hatte, sich auf jedes Objekt einzustellen, das sich in der Umgebung von Alphonsus bewegte. Das Licht reichte jedoch nicht, um auf diese Entfernung ausreichend zu vergrößern, und so blieb auch ihr der Anblick verwehrt.
Die Passagiere an Bord der Merrivale hätten nach Osten blicken müssen, um die Kollision zu sehen, aber der Himmel war bedeckt, und leichter Nieselregen hatte die Decks rutschig gemacht. Horace war noch immer enttäuscht darüber, daß er Amy verloren hatte, und am heutigen Abend dachte er keineswegs an ungewöhnliche Himmelsereignisse.
In Arecibo, wo man den Kometen auf seinem ganzen sechstägigen Anflug verfolgt hatte, schätzte man seine Aufprallgeschwindigkeit auf 417,6 Kilometer pro Sekunde.
Im AstroLab betrachtete Wesley Feinberg fasziniert und traurig den Flug des Kometen Richtung Mond. Die Kollision würde berauschend sein, ein astronomisches Spitzenerlebnis, das für seine Generation einmalig war. Aber sie verloren gleichzeitig diesen faszinierendsten aller Kometen.
Kometenkerne sind oft massiver, als Astronomen des zwanzigsten Jahrhunderts aufgrund der Ähnlichkeit mit »schmutzigen Schneebällen« geglaubt hatten. Ob das auf Tomiko zutraf, oder ob Tomiko ein Asteroid war, der in hohem Maße Eis und Staub angesammelt hatte, oder etwas ganz anderes, würde niemals jemand erfahren.
9.
Mikrobus, Passagierkabine, 22 Uhr 34
Die Menschen an Bord des Mikros betrachteten den Kometen ebenfalls; die Bilder aus dem Farside-Observatorium hatten sich hier zu reinem Licht verstärkt. Sogar im Frachtraum, wo Bigfoot ein paar von Tony für ihn bereitgelegte Polster ausgebreitet hatte, zeigte ein Wandmonitor die Transglobal-Sendung. Keith Morleys Bilder liefen dort, begleitet von einem Gespräch zwischen dem Journalisten im Weltraum und Bruce Kendrick auf der Erde.
»Hier im Mikro ist alles ruhig, Bruce. Wir warten jetzt einfach ab, was
Weitere Kostenlose Bücher