Mondsplitter
auf dem laufenden.
Zurück zu Ihnen, John.
Manhattan, 23 Uhr 35
Mit der Stimmung auf Louises Dachparty ging es seit etwa einer Stunde ständig bergab. Die Gäste drängten sich um den Fernseher, um sich die Bilder aus dem Helikopter anzusehen. Während man dort zerstörte Brücken, schlammbedeckte Straßen und umgestürzte Telefonmasten sah, kam zur Sprache, daß vielleicht auch Manhattan nicht mehr sicher war.
Marilyn wurde sich der Nähe zum Atlantik unbehaglich bewußt.
»Vielleicht«, sagte jemand, »sollten wir aus der Stadt verschwinden.«
»Wohin?« fragte Marvin. »Wir sind hier vier Stockwerke hoch. Wo glaubst du sicherer zu sein als hier?«
Ja, wo? Marilyn blickte auf die Straße hinunter, die dicht mit Lastwagen und Taxis verstopft war. In der Ferne hörten sie die Sirene eines Streifenwagens heulen. »Marvin hat recht«, warf Louise ein. »Jeder, der hier übernachten möchte, ist willkommen.«
Marilyn hatte einen großen Teil des Abends mit Marv verbracht. Es ärgerte sie, daß ihr Ehemann keine Spur von Eifersucht zeigte, nicht mal den geringsten Hinweis darauf, daß er es überhaupt mitbekommen hatte. Ihr kam seltsam vor, daß sich ihr die Welt klarer darzustellen schien, wenn sie mäßig betrunken war. Heute abend sah sie mit kalter Klarheit, daß sie den Falschen geheiratet hatte.
Vielleicht war egal, wen sie heiratete. Ihr Mann war früher auch mal wie Marv gewesen. Sie erinnerte sich noch an die Nächte, in denen sie einfach nicht die Finger voneinander hatten lassen können. Die Ehen ihrer Freundinnen, soweit sie überhaupt noch bestanden, hatten sich alle ebenso entwickelt. Langeweile und Lustlosigkeit schienen das Beste zu sein, worauf man hoffen konnte.
Vielleicht brauchte sie Kinder. Vielleicht sollte es ja in einer Ehe gar nicht anders laufen, bis sich Nachwuchs einstellte.
Eins war mal sicher: Das Gerede über Flutwellen und der Anblick der Menschen, die aus der Stadt zu fliehen versuchten, ließen sie über die eigene Sterblichkeit nachdenken. Den Tod selbst fürchtete sie eigentlich nicht. Er war etwas Fernes, etwas, was anderen Menschen widerfuhr. Aber sie wußte, daß die Uhr lief, daß keiner der Träume wahr geworden war, in denen sie sich als Teenager freudig gewiegt hatte. Die idiotischen Manuskripte anderer zu bearbeiten, das war alles andere als befriedigend. Und sie kannte niemanden, nicht eine einzige Person, die gramgebeugt reagieren würde, falls sie starb. Die Familie vielleicht, aber die zählte nicht. Larry wäre zweifellos traurig. Er wurde zum Begräbnis erscheinen, zu den richtigen Zeitpunkten schniefen und dann zu seinem üblichen Leben zurückkehren.
Marv.
Falls ihr etwas widerfuhr, ob er sie dann nicht stärker vermißte als ihr Mann? fragte sie sich.
In der Wohnung trat Unruhe auf, und die Nachricht wurde rasch an die Leute auf der Terrasse weitergegeben. Man empfahl, New York zu evakuieren.
Sie blickte hinüber zum Natural History Museum, dessen Ansammlung langweiliger Backsteinhäuser sich über mehrere Blocks ausbreitete.
Unten drückten die Menschen entlang der 77. Straße auf die Hupen.
TRANSGLOBAL, AKTUELLE SONDERMELDUNG, 23 Uhr 36
Hier spricht Bruce Kendrick aus unserem Studio in Syracuse. Uns liegen jetzt mehr Informationen über die Ereignisse in Carlisle, Pennsylvania, vor, wo sich Angela Shepard bereithält.
»Angela, wie ist die Lage?«
»Bruce, erste Schätzungen gehen von Hunderten aus, die hier umkamen, als mindestens sieben Objekte kurz nach elf Uhr heute abend die Erde in Carlisle und Umgebung trafen. Eines zerstörte das Stadtzentrum, das jetzt, wie Sie sehen, kaum noch mehr ist als ein rauchender Krater. Die Stadt selbst wurde zerstört. Geschätzte dreitausend Opfer werden zur Zeit in Krankenhäuser der Region evakuiert. Das Rote Kreuz baut Notunterkünfte. Man kann die Nummer anrufen, die gerade am unteren Bildschirmrand entlangläuft, um Informationen über Verwandte zu erhalten. Die Streitkräfte reagierten innerhalb von Minuten und sind in großer Stärke angerückt.
Wir zeigen Ihnen jetzt eine Panorama-Aufnahme des Gebietes, und wie Sie sehen, brennt es überall. Solche Verwüstungen hätte man in Friedenszeiten nie erwartet. Alles ist ausgefallen; es gibt weder Strom noch Wasser. Als wir hier eintrafen, gingen Menschen die Straßen entlang und versuchten zu helfen, wo sie konnten. Ein Mann erzählte uns, daß die Meteore einfach nicht aufhören wollten. Alle paar Minuten, sagte er, wäre wieder einer
Weitere Kostenlose Bücher