Mondsplitter
zwischen sich und diesen Hügel, wie er nur konnte.
Der Raumhafen lag wie die restliche Basis unterhalb des Verwitterungsbodens. Die Hangars und Startflächen waren für eine Vielzahl von Fahrzeugen ausgelegt: die Busse, die die Mondbasis mit L1 verbanden, diverse Raumtransporter sowie die ›Lobber‹ genannten Mondtransporter, die Ausrüstung und Produkte zwischen dem Zentralkomplex und den außenliegenden Fabriken und Forschungsposten beförderten.
Einige Menschen liefen ziellos durch die Wartehalle und warteten auf ihre Evakuierung, während Techniker die Checks zur Startvorbereitung an zwei Fahrzeugen durchführten. Der Mond- und der Mikrobus sollten in einer halben Stunde Kurs auf L1 nehmen. Die meisten Fluggäste waren einflußreiche Persönlichkeiten mittleren Alters, VIPs, die für die Eröffnungszeremonie auf die Mondbasis gekommen waren. Dazu gehörten ein hochangesehener Historiker, ein weltberühmter Bildhauer und zwei Hollywoodtypen. Auch Wolfgang Weller, der deutsche Außenminister, und sein Gefolge aus drei Personen waren darunter.
Weller war groß und imposant, mit kalten grauen Augen und gebieterischem Auftreten. Er wirkte verärgert, und Tony fragte sich, ob das an der bevorstehenden Zerstörung der Mondbasis lag oder daran, daß man ihn zusammen mit dem gewöhnlichen Volk durch die Gegend trieb. Er schien ein geeigneter Kandidat, um sich Abneigung einzuhandeln. Merkwürdige Eigenschaft bei einem Diplomaten.
Oder vielleicht war Tonys Denken das Problem. Er mochte keine Typen von ganz oben. Sie schienen immer einer besonderen Aufmerksamkeit zu bedürfen und zu erwarten, daß andere Leute vor ihnen katzbuckelten. Tony achtete deshalb darauf, sich bei Passagieren dieser Art nicht um ihren Rang zu kümmern.
Die Passagiere gaben ihm den Weg frei. Er marschierte zur Rampe und wurde an Bord von Shen Katai begrüßt, dem Flugbegleiter. »Saber ist an Bord«, informierte er Tony.
Tony nickte und ging an ihm vorbei in das behagliche Passagierabteil. Es gab vier paarweise angeordnete Sitze auf beiden Seiten des Zwischengangs. Der Verkehr zwischen L1 und der Mondbasis benötigte auch ein kompaktes, sparsames Fahrzeug, das kleine Gruppen und gelegentlich Einzelpersonen beförderte. Dieses Fahrzeug war der Mikrobus. Zwei weitere Mikrobusse waren zur Zeit im Bau und sollten die Flotte innerhalb eines Monats verstärken.
Die Passagiere kamen hinter Tony an Bord. Weller und drei Mitarbeiter sowie eine Familie mit zwei Kindern. Acht Personen insgesamt. Laut Passagierliste handelte es sich bei der Familie um Touristen mit Zielflughafen London. Die beiden Kids, ein sommersprossiges Mädchen von etwa zehn Jahren und ihr etwas jüngerer Bruder, wirkten aufgeregt. Die Eltern hingegen zeigten sich schroff und nervös. Sie erteilten ihrem Nachwuchs scharf den Befehl, sich zu setzen, anzuschnallen und bitte nicht soviel Lärm zu machen. Tony beruhigte sie und erklärte, daß sie längst zu Hause in Sicherheit sein würden, wenn der Komet eintraf, ein Umstand, der die Kinder eindeutig enttäuschte. Die Mutter hielt einen Vortrag darüber, daß das nicht komisch war und sie Glück hatten, von hier wegzukommen.
Tony stieg die Leiter hinauf und schob sich durch die Deckenluke aufs Flugdeck hinauf.
Saber ging gerade die Routine der Startvorbereitung durch. »Hallo Tony«, sagte sie und lächelte ihn über die Schulter an. Sie war groß und schmal, beinahe einsachtzig, und von jungenhaftem Körperbau. Sie hatte schwarzes Haar und leuchtende blaue Augen, und ungeachtet der fehlenden Dimensionen schien es ihr nie an männlicher Begleitung zu mangeln. Sie hieß Alisa Rolnikaya und war als Tochter einer russischen Diplomatenfamilie in Florenz geboren. Mit fünfzehn lernte sie fliegen, zog für die Schule nach St. Petersburg, in die Heimatstadt ihrer Eltern, machte ihren Jetpilotenschein und verbrachte mehrere Jahre bei einer NATO-Fliegerstaffel, deren Piloten überwiegend Italiener waren. Dort erhielt sie den Decknamen ›Saber‹, der ihr bis auf den Mond folgte. Der Name paßte, fand Tony. Ihre Persönlichkeit und ihr Sinn für Humor wiesen eine scharfe Kante auf. Sie flog seit drei Monaten für die Mondverkehrsbehörde, und der Einsatz auf dem Mikrobus war dabei ihre erste Stellung. Bislang hatte sie sich als ziemlich kompetent erwiesen.
»Hast du schon die Kometenbilder gesehen?« fragte sie.
Er nickte. Er schmiedete schon Pläne für den Ruhestand. Ein Deck tiefer brachte Shen gerade die Passagiere auf ihren Plätzen
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