Mondsplitter
erhalten, vermute ich?«
»Nein«, sagte sie. »Noch nichts. Aber der Marsflug wird sicherlich abgesagt.«
»Warum? Das Startfenster steht offen. Warum die Mission nicht retten? Eine Absage ist nicht nötig.«
Er hatte recht. Die harte Arbeit war getan und das Schiff startbereit. Technisch sprach nichts gegen einen Start aus dem Erdorbit. Trotzdem verstand Rachel die politischen Realitäten: Die Lowell konnte nicht einfach zum Mars davonsegeln, während die Menschen zu Hause gegen eine Katastrophe ankämpften.
Ihr Funktelefon piepte. »Oberst?«
»Ich höre, Jim.« James Hoffer koordinierte den Rettungseinsatz.
»Die Kissen sind da.«
»Okay. Bring sie an Bord. Ich bin dort und zeige euch, wohin sie kommen.«
»Kissen?« fragte Cochran.
»Für unsere Passagiere.«
Cochran setzte sich neben sie. »Nachdem wir diese Leute auf Skyport abgesetzt haben, wieso fahren wir dann nicht einfach weiter?«
Sie lächelte. »Die Lowell stehlen? Dann sollten wir lieber auch planen, auf dem Mars zu bleiben.«
Aber es war eigentlich nicht komisch, und Cochran schien wirklich zu leiden. Für sie alle hatte es der Gipfelpunkt der beruflichen Laufbahn werden sollen. Für Lee und für sie selbst, für ihre vier Crewkameraden, die gerade auf Skyport eingetroffen waren, um von dort weiter nach L1 zu fliegen.
»Sieh mal«, sagte sie in der Hoffnung, damit die Diskussion zu beenden. »Die Mondbasis geht zugrunde, und damit verliert das Raumfahrtprogramm seinen Glanz. Die politische Lage paßt einfach nicht mehr zu einem Start.«
»Gottverdammte Politik! Wenn sie es absagen, dauert es Jahre, bis wir einen neuen Versuch machen können. Oder irgend jemand.«
»Lee«, sagte sie, »konzentrieren wir uns lieber auf das aktuelle Problem: Wo bringen wir unsere Passagiere unter?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich es weiß.«
»Ich denke, es wird Zeit, daß wir eine Idee haben. Sehen wir uns die Sache mal an.«
Rachel wollte die Durchgänge frei haben. Sie konnten sechs Personen in den winzigen Kämmerchen unterbringen, die als Besatzungsunterkünfte gedient hätten. Zwei weitere Personen konnten auf unbesetzten Crewpositionen Platz nehmen. Platz für weitere sechs gab es im Erholungs- und Gemeinschaftsraum, und der Rest war in der Gerätekammer am sichersten aufgehoben. Die Leute konnten dort angeschnallt im Mars-Rover und dem fahrbaren Laserbohrer sitzen.
Der Bohrer sah aus wie ein Traktor mit einer Gottesanbeterin rittlings auf der Motorhaube. Lee blieb davor stehen, und Rachel konnte seine Gedanken lesen. Das Gerät war so konstruiert, daß es hundert Meter tief unter die Marsoberfläche vordringen und Proben von dort holen konnte. Lee hätte im Sattel gesessen und den rubinroten Strahl eingesetzt, den Sammelbehälter in die Tiefe gesenkt und die Geschichte des Mars geborgen.
Jetzt wußten sie beide, daß es dazu nie kommen würde. Wenn die Lowell in zwei oder drei Jahren fuhr – falls überhaupt –, dann mit einer komplett neuen Besatzung.
»Sieh es mal so«, sagte Rachel. »Wir haben die Gelegenheit, den Nutzen eines nukleargetriebenen Raumschiffs zu demonstrieren. Vielleicht wird jemand erkennen, wenn die jetzige Geschichte ausgestanden ist, wie nützlich es ist, eine Percival Lowell zu haben. Ich meine, wir haben das erste Schiff dieser Art gebaut. Unser Schiff hat das ganze Geld verschlungen. Jetzt geht es nur noch um Pfennige.«
Mikrobus, Flugdeck, 6 Uhr 51
Der Mikrobus näherte sich dem Raumhafen. Sie hatten den Autopiloten eingeschaltet und folgten gerade dem Leitsignal nach unten, als sich jemand über Funk meldete. »Tony? Hier spricht die Mondbasis.« Es war Bigfoots Stimme.
»Sprechen Sie, Mondbasis. Wir zeichnen auf.«
»Die Pläne wurden geändert. Heute morgen schicken sie die Percival Lowell herüber. Du und ein weiterer Bus werden sich mit ihr treffen. Ihr habt etwa fünfundvierzig Minuten Zeit bis zum neuen Start. Ihr bringt neun Leute hinauf.« Das waren die üblichen acht plus der freie Platz, den sie durch den Verzicht auf die Mitnahme Shens geschaffen hatten.
»Verstanden, Bigfoot. Wir kriegen also den Atomantrieb in Aktion zu sehen, wie?«
»Nur das Beste für unsere Flieger.«
»Ich frage mich, wie viele Leute sie evakuieren müssen«, sagte Saber.
Tony reagierte nicht, und sie richtete die Aufmerksamkeit auf den Kometen, der in der Bilderfassung inzwischen einen zweiten Schweif zeigte.
»Vielleicht bricht er auseinander«, sagte Tony. »Vielleicht haben wir Glück.«
»Das wäre
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