Mondsplitter
sind okay. Wir parken die Nacht über. Die Straße scheint jetzt ziemlich frei zu sein. Falls es so bleibt, sind wir bis Mittag in Carlisle.«
»In Ordnung, Meister. Sei vorsichtig.«
Einstufen-Raumfähre Arlington, Flugdeck, 5 Uhr 50
George lenkte die große Raumfähre präzise nach Plan auf die Mondumlaufbahn. Er war dreitausend Kilometer über der Oberfläche, und es war ein gutes Gefühl, die Mondlandschaft unter sich vorbeiziehen und die Erde unter den Horizont sinken zu sehen. Zum erstenmal in seinem Leben war er außer Sichtweite der Heimatwelt.
Und der Komet wirkte sehr nahe.
Zwanzig Minuten später ging ein Mondbus längsseits, und die ersten Passagiere kamen an Bord.
TRANSGLOBAL-NACHRICHTENREPORTAGE, 6 Uhr 14
Die Polizei meldet vereinzelte Fälle von nächtlichen Plünderungen in zwei Vororten von Baltimore, Catonsville und Edgemere. Mindestens elf Personen wurden festgenommen, und ein weiteres Dutzend, darunter drei Polizisten, mußten nach damit in Zusammenhang stehenden Zwischenfällen ins Krankenhaus gebracht werden. Patricia Godwin, Bürgermeisterin von Baltimore, versuchte Störungen der öffentlichen Ordnung wie vor zwei Jahren nach der Hinrichtung Gandars zu verhindern. Sie mobilisierte zusätzliche Polizeikräfte und verkündete, daß Straftäter mit der vollen Härte des Gesetzes zu rechnen hätten. Sie fügte hinzu, sie könne nicht garantieren, daß Bürger die Sache nicht in die eigenen Hände nehmen und Diebe erschießen würden. In weiten Kreisen wurde das so interpretiert, daß Hauseigentümer, die ihren Besitz durch Einsatz tödlicher Gewaltmittel verteidigen wollen, nicht mit so entschiedener Strafverfolgung rechnen brauchen, wie es nach den Gandar-Unruhen der Fall war.
Einstufen-Raumfähre Kopenhagen, 6 Uhr 17
Nach einem Flug von neunzehn Stunden traf die Kopenhagen in Sichtweite von Skyport ein. Als die Raumstation vor den Fenstern auftauchte, applaudierten Personen in der Passagierkabine.
TRANSGLOBAL-KOMMENTAR, 9 Uhr 03
Eigentlich wäre das Ende des Mondes, wenn wir das wirklich erleben, eine sehr gute Sache. Die Menschen müssen zuzeiten daran erinnert werden, daß eine lebendige Welt dem Wandel unterliegt. Und jedem Wandel widersetzen wir uns mit aller Heftigkeit, die wir nur aufbringen können.
Dieser Instinkt, diese Liebe zum Status quo, diese Überzeugung, die Erde wäre eine stabile und zuverlässige Wohnstätte, ist uns als Idee aus Zeiten überliefert worden, in denen die Menschen jeweils genauso lebten wie ihre Großeltern. Als Veränderungen immer schlechte Nachrichten waren: Daß ein Fluß wieder über die Ufer getreten war, daß die Barbaren kamen, daß die Pest in der Stadt war. Wir sind so gestrickt, daß wir den Status quo bewahren.
Dieses Bedürfnis, die Gegenwart zu konservieren, ist ein Überlebensinstinkt, der sich jetzt zu unserem Nachteil auswirkt. Wir erkennen ihn wieder in unserem Scheitern bei der Erforschung der Nanotechnologie sowie in unserer Angst vor biotechnischen Hilfsmitteln und in der Ablehnung des Marsfluges. Im täglichen Leben erkennen wir ihn in unserer Unfähigkeit, die Techniken einzusetzen, die greifbar vor uns liegen. Können Sie Ihren Virtual-Reality-Recorder programmieren? Eine kürzliche Umfrage von USA Today zeigte, daß fünfundsechzig Prozent der Befragten nicht der Meinung waren, das Leben hätte sich seit dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts verbessert.
Sollte der Mond heute abend wirklich vom Himmel verschwinden, erinnert uns das daran, daß nichts ewig währt, daß sich die Welt fortlaufend verändert und wir lieber lernen sollten, uns mit ihr zu verändern. Hier spricht Judy Gunworthy von der Transglobal-Nachrichtenredaktion aus dem Johnson Space Center.
Mondbasis, Grissom Country, 10 Uhr 47
Charlie schüttelte jedem seiner Agenten die Hand, dankte ihnen für ihren Einsatz und versicherte ihnen, daß mit ihm alles okay sein würde. Wie er ihnen erklärte, hatte er ihre Vorgesetzten darüber informiert, daß sie nur unter Protest abreisten, daß er ihnen den Befehl dazu gegeben hatte und ihnen unter den gegebenen Umständen nichts anderes übrigblieb, als zu gehorchen. »Ich habe Gehaltserhöhungen für Sie alle empfohlen.«
Sie lächelten. Isabel verlor für einen Moment die professionelle Haltung und umarmte ihn. »Ich wünschte, Sie würden es sich anders überlegen«, sagte sie.
Nachdem sie gegangen waren, kam Rick vorbei und bemühte sich so intensiv, Charlie zum
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