Mondtaenzerin
Kaufhaus, hatte er der Mutter erzählt, verschiedene Dinge für den Schulanfang besorgen. Wir zwängten uns in den Bus, der überfüllt war und gleich abfuhr, nachdem der Fahrer alles Kleingeld kassiert hatte. Noch heute sind die maltesischen Busse altmodisch, verbraucht, die Fahrgäste werden durchgeschüttelt, dass die Zähne aufeinanderschlagen, aber der Fahrplan wird auf die Minute genau eingehalten. Das gehört, sagt mein Vater, zu unserem britischen Erbe.
Wir fanden keine Sitzplätze, standen im Gedränge, hielten uns an der Stange fest und konnten uns nur schreiend verständigen.
»Wie hast du ihm die Sache beigebracht?«, schrie ich Peter zu.
»Er hat uns nicht vergessen, glaub das ja nicht. Ich habe ihm gesagt, dass wir nur zu zweit kommen. Dass Viviane in London ist und Giovanni große Probleme hat. Und dass unsere Eltern nicht wissen dürfen, dass wir ihn aufsuchen.«
»Und was hat er gesagt?«
»Nun, er meinte, wir sollten uns keine Sorgen machen. Aber er hat ja keine Ahnung…« Peter stockte, rückte seine Brille zurecht. Die Gläser waren ganz beschlagen. Er hatte weiße Ringe um den Mund und um die Nase. Ich nickte krampfhaft. Als der Bus an einer Ampel hielt, senkte er die Stimme und flüsterte mir zu. »Er meint es ja gut mit uns, ja. Aber … es schickt sich einfach nicht, darüber zu reden. Er will sich bestimmt nicht einmischen, und… oh Gott! Mir dreht sich der Magen um!«
Mir ging es ähnlich, ich konnte nur nicken. Ich hatte bittere Spucke im Mund, die ich würgend schluckte, bevor der ruckartig abfahrende Bus mich gegen den nächsten Fahrgast schleuderte.
Und dann dauerte es nicht mehr lange, und der Bus hielt, wir stapften in der Mittagshitze den staubigen Weg hinauf und standen wie damals, vor vier Jahren, in der gleißenden Helle vor St. Angelo. Die wuchtigen Mauern ragten empor, entfalteten sich, von unten gesehen, riesenhaft groß, weckten in uns das Gefühl des Erdrücktwerdens. Es war, als ob sie uns zu verstehen gaben, dass alle Fragen, Hoffnungen und Beschwörungen an dieser Mauer abprallen würden, dass da etwas war, das ganz andere Wege ging, und die Schmerzen eines Kindes hier so wenig Bedeutung hatten wie die Spur einer Ameise im Sand.
Wir warteten, sprachen jetzt nicht mehr; wir schwitzten, kamen uns erbärmlich vor, kämpften gegen Brechreiz. Und dann ertönte aus unbestimmter Ferne Motorengeräusch, die Tür der Festung wurde aufgestoßen, und der Geländewagen brauste hinaus, direkt auf uns zu, näherte sich in einer Staubwolke, bremste ruckartig vor uns. Schon öffnete Fra Beato die Tür, beugte sich zu uns hinüber.
»Hallo«, rief er, genau wie damals. »Wer will vorn sitzen?«
Ich trat einen Schritt vor und Peter einen Schritt zurück. Fra Beato lächelte uns an.
»Wie lange ist es schon her? Vier Jahre, oder täusche ich mich da? Ihr seid ja kaum wiederzuerkennen!« Seine belustigte Stimme verriet gleichwohl ein wenig von der Rührung, die alte Menschen bei der Erinnerung an Früheres überkommt. »Ja, ja, es sind unsere Kinder, die uns zeigen, wie die Zeit vergeht.«
Ich erwiderte befangen sein Lächeln, setzte mich neben ihn, während Peter auf den Hintersitz kletterte und ungeschickt die Tür zuschlug. Fra Beato trug, wie bei unserem letzten Besuch,
Khaki-Shorts, diesmal war sein Hemd blau. Er hatte ein wenig zugenommen, sein Gesicht mit den leuchtenden blauen Augen schien etwas aufgeschwemmt, und das rotblonde Haar zeigte einige dünne Stellen. Ansonsten war alles fast wie früher: Er wendete in scharfem Tempo, bremste, fuhr wieder an, dem Tor entgegen. Der salutierende Wachtmann war jetzt ein anderer, jüngerer, der seine Pflicht sehr ernst nahm, denn er stand völlig stramm, ohne die Spur eines Lächelns im Gesicht. Fra Beato blinzelte mir zu, fuhr haarscharf an ihm vorbei, brauste mit Vollgas die Rampe empor, drehte eine Kurve zur zweiten Rampe. Dann waren wir oben, der Wagen fuhr langsam, hielt vor der Hecke aus Lorbeeren, die jetzt höher und dichter wuchsen. Ja, alles war wie früher und doch anders, ein Teil des Gemäuers war frisch verputzt worden und einige Bodenfliesen offenbar neu gelegt.
Fra Beato nickte uns zu.
»Ja, die Arbeiter waren hier. Es gab eine Zeit lang viel Unruhe und Staub, und jetzt – wirklich, das reicht. Nun lebe ich hier mit den Steinen in stiller Höflichkeit. Wir werden jetzt eine kleine Weile zusammen altern, wobei ich von ihrer Weisheit nur träumen kann …«
Er bewegte leicht die Hand.
»Ihr kennt den Weg.«
Der
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