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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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in ein Gesicht, dessen Züge plötzlich alle Gelassenheit verloren hatten und nur noch Besorgtheit, Schmerz, Mitleid und Zorn ausdrückten. Ich dachte: Er versteht, was sich abgespielt hat, er versteht es wirklich, sonst wäre er nicht halb so erschüttert! Und da konnte ich freier reden, und als ich endlich alles gesagt hatte, fühlte ich mich so unendlich befreit, aber auch so unendlich müde, dass mir plötzlich schwindelte. Ich merkte, wie mir schlecht wurde, wie ich schwankte, bis von weit her Fra Beatos Stimme an meine Ohren drang.
    »Trink!«, sagte er. »Trink!« Ich richtete mich auf, sah das Glas, das er mir reichte, und riss es ihm in meiner Benommenheit fast aus der Hand. Klamm am ganzen Körper trank ich gierig einen Schluck, noch einen, stellte mit zitternden Händen das Glas zurück auf den Tisch. Meine Augen klärten sich, ich sah, wie Fra Beato mein Glas wieder füllte.
    »Besser?«, fragte er.
    Ich nickte stumm, zerknüllte das Taschentuch. Er beugte sich zu mir – einen Atemzug lang berührten sich beinahe unsere Köpfe. Der Geist in mir, alles, was verzweifelt und redlich war, rief den Geist in ihm an, flehte um Hilfe. Dass er, um keinen Preis, Giovanni die Schuld gab! Und die Erschütterung auf seinen Zügen war es, nach der wir uns gesehnt hatten, um deretwillen wir den Kampf auf uns genommen hatten. In unserer Einsamkeit und Verzweiflung hatten wir instinktiv das Richtige getan, hatten Hilfe bei ihm gesucht, und diese Hilfe sollte uns nicht verwehrt werden. Fra Beato war blass geworden wie Lehm. Ich spürte in ihm die flugbereite Güte und die Traurigkeit der Engel, die unter uns weilen und verschiedene Gestalten annehmen. Wir aber erkennen ihr Angesicht im Dunkeln und suchen und finden es, wenn wir in Not sind.
    Ein langes Schweigen folgte; nur die Vögel zwitscherten, das leichte Rieseln des Brunnenwassers, und dann und wann ein
Plätschern, wenn die Karpfen bei ihren mysteriösen Tänzen die Wasserfläche berührten. Schließlich seufzte Fra Beato tief und straffte sich ein wenig. Er sprach, und seine Stimme war klangvoll und jünger als sein Körper.
    »Das, was Gott versprochen wurde, sollte ihm nicht genommen werden.«
    »Wir haben nicht gelogen! Es ist wirklich die Wahrheit«, stieß ich hervor, und Peter bestätigte meine Worte mit heftigem Kopfnicken. Wir kamen wieder in die Wirklichkeit zurück, fühlten uns unsicher, aufdringlich und unendlich beschämt.
    Er jedoch schüttelte ruhig den Kopf.
    »Daran zweifle ich auch keinen Augenblick.«
    Seine Augen blickten auf mich, nicht mit Vorwurf beladen, sondern mit einem Kummer, den ich nicht zu enträtseln versuchte, war er doch mit tieferen Dingen vermischt. Er sprach langsam und gleichmäßig, seine weit schweifenden Augen blickten in eine Ferne, die ganz nahe lag, in seinem Herzen oder in seinem Geist.
    »Kinder, noch so nahe an der Unschuld, fühlen im Schlaf, wie der Wahnsinn wacht. Giovanni wollte Priester werden und wird es vermutlich niemals sein. Gott hat einen guten Diener verloren.«
    »Werden Sie jetzt mit dem Kommissar reden?«, platzte Peter heraus.
    Ich fuhr zusammen und warf ihm einen strafenden Blick zu. Eine solche Zumutung! Doch Fra Beato schien nicht im Geringsten gekränkt, nur traurig.
    »Das, was geschah, kommt ans Licht aus Kammern, die der Polizei verschlossen sind. Die Männer wären Eindringlinge in einer verbotenen Welt.«
    Er sprach wie in Gedanken, sodass ich ihn missverstand.
    Auch Peter, verkrampft und wie versteinert, schaute ihn verstört an. Unser Gewissen enthüllte uns immer unerbittlicher,
was wir so ängstlich vor uns selbst zu verbergen versuchten: Wir hatten ihn zu Hilfe gerufen, als ob er der Einzige auf der Welt war, der alles verstand, alles wusste und Giovanni nicht verurteilen würde. Wir hatten uns getraut, davon zu reden, von dieser furchtbaren Sache. Und jetzt hatten wir uns womöglich seine Sympathie verscherzt. Ach, wären wir doch nicht so vorwitzig gewesen! So dachten wir, während er weitersprach, wobei ich betroffen sah, wie seine herabhängenden Hände sich zu Fäusten ballten.
    »Was geschehen ist, ist geschehen, und wir wollen das Gerechte vom Ungerechten trennen. Wir können nicht dem Unschuldigen eine Strafe auferlegen, noch sie dem Herzen eines Schuldigen abnehmen. Doch dies soll ohne Zeichen geschehen. Es gibt Pfeiler, die seit Jahrtausenden stehen. Solche Pfeiler dürfen nicht einstürzen, auch wenn ihr Gestein fault oder Risse zeigt.«
    Er verstummte, und ich starrte ihn

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