Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
Vom Netzwerk:
damals mit ihm telefoniert.«
    »Hat er die Nummer irgendwo aufgeschrieben? In seinem Kalender vielleicht?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn er ihn im Büro hat, dann ist nichts zu machen. Aber ich werde nachsehen. Ich rufe dich morgen an. Gleich nach dem Frühstück, geht das?«
    Ein Zug herber Entschlossenheit zuckte um Peters Mund.
    »Das trifft sich gut. Meine Mutter ist morgen nicht da. Ich warte neben dem Telefon und rufe Fra Beato an, sobald ich die Nummer habe.«

    Und dann verstummten wir beide. Vielleicht war das, was wir vorhatten, schlimm und falsch, vielleicht würden wir uns danach ganz entsetzlich schämen müssen. Aber besser, wir taten etwas Schlimmes und Falsches als überhaupt nichts. Und vielleicht nahm sich Fra Beato ein paar Minuten für uns Zeit. Vielleicht. Wir mussten es darauf ankommen lassen. Es ging um unsere Freundschaft, um unsere Ehre. Ja, wir waren noch in dem Alter, in dem wir daran glaubten. Der Druck lockerte sich. Wir hatten einen Entschluss gefasst. Wir blickten einander an, und vielleicht sahen wir dieselbe Kraft in unseren Augen, dieselbe Ehrlichkeit, denn plötzlich lächelten wir beide gleichzeitig.

24. Kapitel
    I ch wartete, bis die Eltern schliefen, dann schlich ich im Dunkeln die Treppe hinunter. Ich hatte einige scheußliche Stunden hinter mir. Vater war noch nie so böse auf mich gewesen. Mutter hatte ihm alles erzählt. Beim Abendessen saß er da wie ein Betonklotz, richtete kein einziges Mal das Wort an mich. Strafe durch Ignorieren, für mich, so kommunikativ ich war, eine der schlimmsten. Ich wollte die ganze Misere los sein, verzog mich früh in mein Zimmer, dort tigerte ich herum. Ich fühlte, wie in mir eine Art Klumpen wuchs, tief in meinem Bauch, wie er wuchs und wuchs, gegen meine Eingeweide drückte und gegen meine Lungen, bis ich keine Luft mehr bekam. Ich musste mich ausziehen und zu Bett gehen, bevor ich wieder besser atmen konnte. Ich reckte mich und rieb die Handflächen am Körper. Ich hob die Jacke meines Schlafanzuges und kratzte meinen Bauch, langsam und ausgiebig, sodass die Fingernägel lange, brennende Rillen zurückließen.
    Auf der Treppe merkte ich dann, wie die Beine unter mir zitterten. Ich hielt mich krampfhaft am Geländer fest. Im Haus war alles still, nur in der Ferne bellten Hunde, die üblichen Geräusche der Nacht. Ich ging in Vaters Büro. Die Jalousien waren heruntergezogen, es war stockfinster im Raum, wo es nach kalter Asche roch. Ich schloss behutsam die Tür, damit kein Licht in den Flur fiel, und knipste die Stehlampe an. Geblendet sah ich mich um. Vater, der morgens schlecht wach wurde, legte seine Sachen immer griffbereit auf seinen Schreibtisch.
Der Kalender lag neben der Brieftasche. Ich setzte mich nicht an den Tisch, sondern sah die Kalendereinträge im Stehen durch. Vater hatte eine schreckliche Schrift. Er schrieb alles in großen Druckbuchstaben, weil er wusste, dass Mutter seine Schrift nicht lesen konnte. Ich blätterte den Kalender durch, und es dauerte kaum eine Minute, bis ich Fra Beatos Nummer fand. Mein Herz pochte laut. Es gab also noch Wunder. Ich kritzelte die Nummer auf einen Zettel. Dann knipste ich die Lampe aus, tastete mich behutsam zur Tür, die Treppe hinauf. Den Zettel schob ich zwischen zwei Bücher, auf dem kleinen Regal über meinem Bett. Dann lag ich ganz still ausgestreckt auf dem Rücken, hörte mich atmen. Einschlafen konnte ich nicht, ich konnte nur denken, und alles war konfus und weitschweifig. Giovanni. Wo war er? Was machte er jetzt? Mit weit offenen Augen schaute ich an die helle Decke. Vor dem Abendessen, bevor mir Vater seine große Szene machte, hatte ich Giovanni schnell eine Zeile geschrieben: »Vielleicht gibt es morgen eine gute Nachricht.« Mehr – dazu war keine Zeit gewesen. Ich wusste ja auch nicht, wann er kommen würde, um den Zettel zu holen. Ich hätte am liebsten draußen auf ihn gewartet, aber das war ganz und gar unmöglich. Schlag dir die Sache aus dem Kopf, Alessa! Ich lag im Dunkeln, lauschte mit geschärften Sinnen auf die Geräusche von der Straße. Mein Magen flatterte, ich starrte und starrte nur, und Funken kreisten und zogen vorbei, bis sie in den Augenwinkeln verschwanden. Mir war, als ob der kleine Zipfel dieser Welt, an den ich mich klammerte, mir entgleiten und ich dort hinunterstürzen würde, zu den Toten. Aber das, dachte ich, war eine Sache für Viviane. Irgendwann drehte ich mich um, rieb mit der Wange und der Nasenspitze am Kissen entlang und schlief ein.

Weitere Kostenlose Bücher