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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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hinterher, spürte, wie etwas in mir zu klopfen und zu flattern begann. Immer höher schwang sich der Triumph, zitterte mit sonderbarem Widerhall durch meinen ganzen Körper nach.

    »Ist es wahr? Muss Giovanni nicht ins Gefängnis?«
    Ich flüsterte rau die Frage. Jetzt hatte ich den Kommissar fast gern, beinahe lieb.
    Ellison balancierte seine Kaffeetasse, wusste nicht, wie er sie loswerden sollte, und Mutter nahm sie ihm aus der Hand. Ihr Ausdruck war steinern. Der Kommissar dankte und sprach weiter.
    »Hier lag eindeutig ein Missverständnis vor. Den Aussagen des Priesters ist nicht mehr viel Belastendes abzugewinnen, und Giovannis Akte wurde bereits vernichtet.«
    Womit er indirekt meine Frage beantwortet hatte. Doch ich stellte bereits die nächste, vermied mit aller Selbstbeherrschung, dass meine Stimme spürbar um einen Ton anstieg.
    »Kommt er jetzt wieder zu uns in die Klasse?«
    Ein Schimmer von Verachtung flackerte in Mutters hellen Augen. Mit dem Zynismus der Außenstehenden wusste sie, dass hier ein neuer äußerer Schein an die Stelle des alten gesetzt wurde. Wo lag jetzt die Wahrheit? Für Mutter war das Ganze ebenso undurchsichtig wie typisch. Dass Giovanni jetzt plötzlich nicht mehr der Schuldige sein sollte, missfiel ihr; es hätte die Sache sehr vereinfacht. Glasklar war auch nicht der Priester, von dem Ellison recht aufdringlich betonte, welch frommer und milder Mann er doch sei. In ihrer Menschenverachtung war ihr wohl bewusst, dass man etwas Peinliches unter den Tisch wischen wollte und dass in der südländischen Welt wie in der Mathematik jedes Problem eine Lösung fand. Und auch Vater begriff, dass man sich gerne den Ekel ersparte, in trüber Brühe herumzurühren. Aber weil er als Mensch einfach und klar war und daher viel sentimentaler als Ingrid, fühlte er sich persönlich beleidigt. Aus kursierenden Gerüchten wurde schnell eine lange, abstoßende Geschichte, die dem guten Ruf seiner Tochter schaden konnte. Und dem seinen obendrein, schließlich war er ja in der Regierung.
    »Jetzt aber Schluss, Alessa! Stell dir das nicht so einfach
vor!«, fuhr er mich aufgebracht an, worauf Ellison die Hände in einer sonderbaren Geste bewegte, halb betrübt, halb ergeben, und beides war gleichermaßen Theater.
    »Darin liegt ja gerade das Problem, Geoffrey. Wir brachten in Erfahrung, dass der Junge Malta bereits verlassen hat. Er hielt sich auf einem Frachter versteckt, der heute bei Tagesanbruch aus dem Hafen lief. Schon möglich, dass er Gewissensbisse hatte, weil er seinen Onkel im Stich ließ. Es mag auch sein, dass sein familiäres Umfeld ihn beeinflusst hat. Und so konnten wir ihm das großzügige Entgegenkommen des Priesterseminars nicht mitteilen: Man war nämlich bereit, den Jungen sofort im Internat aufzunehmen. Das war mehr als fair, ausgesprochen großzügig, würde ich meinen. Leider wird nichts mehr daraus.«
    Ich starrte den Kommissar an, sah in überdeutlicher Schärfe jede Einzelheit an ihm, die unsicheren Augen, die gerunzelte Stirn, die zögernden Bewegungen der Lippen. Und wie ich dort saß und den Mann betrachtete, war mir bewusst, welche Mühe es ihn kostete, sich natürlich zu geben. Er führte eine Art Monolog, peinlich darauf bedacht, dass jedes Wort zu dem passte, was er zuvor gesagt hatte. Es wirkte nicht gerade unecht oder affektiert, es wirkte lediglich befangen. Und ich dachte, dass ich gleich weinen würde, ich, die keine Heulsuse war – nicht vor den Eltern, bloß das nicht! Das Leid kann, genau wie das Glück, den menschlichen Geist in Verwirrung schlagen; ich war plötzlich wieder zwölf Jahre alt.
    »Der Frachter, wohin geht der?«, hörte ich mich kindisch fragen. »Sehr weit weg? Wissen Sie das?«
    Ellison jedoch war wieder in seinem Element, antwortete schnell, selbstsicher und überzeugend.
    »Das haben wir bereits herausgefunden. Zunächst nach Libyen, dann weiter nach Somalia. Das Schiff gehört einer Gesellschaft, die Handel mit Afrika betreibt. Der Kapitän kommt aus Malta, die Mannschaft aus Süditalien und Nigeria.«

    »Kann Giovanni wieder zurück?«
    Der gleiche wehleidige, starrköpfige Ton. Ich hasste mich.
    »Er braucht es nur zu wollen.« Der Kommissar schloss sich nicht ab. »Ich kann nur wiederholen: Seine Akte wurde vernichtet.«
    »Wie kann man ihn benachrichtigen?«, rief ich fieberhaft.
    »Alessa!«, rief drohend mein Vater. Ellison beachtete ihn nicht, erwiderte mein aufgeregtes Anstarren mit einem seltsam gütigen Ausdruck im Gesicht,

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