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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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ebenso für die historischen Bauten wie für Fauna und Flora. Es gab auch Tauchsportler, Studenten und ältere Leute, die gerne Burgen und Museen besichtigten und mehr über die Johanniter wissen wollten. Ich konnte gut reden, beschreiben und erklären. Ich war jung und voller Begeisterung. Ich war noch nicht abgebrüht. Ich führte meine Leute in kleine, schattige Restaurants, wo ich wusste, dass es schmackhafte Fischgerichte und gute »Pasta« gab. Es freute mich, mit Professoren, Historikern, Schriftstellern an einem Tisch zu sitzen, sie sprechen zu hören. Manche dozierten gerne. Ihre Fragen zu beantworten war schon schwieriger, und es bestand kein Grund, beleidigt zu sein, wenn sie, wie es gelegentlich vorkam, mehr wussten als ich. Dann ließ ich sie reden. Sie redeten mit Genuss und ich lernte einiges dabei. Diese Menschen hatten längst den Gedanken begriffen, dass es zwischen den Organismen und ihrer Umgebung Beziehungen gab und dass die Umgebung sich allen Organismen gemäß verhielt, die in ihr lebten. Eine einfache Feststellung! Und doch, wie lange hatten wir gebraucht, bis wir sie verstanden? Meine Leute bewunderten Kirchen und Paläste, aber man konnte ihnen auch Saatkörner in die Hand legen: »Riechen Sie!«, und sprießende Blätter zeigen: »Fühlen Sie!« Und es gab
auch die Verhaltensforscher, die sich über Vogelzug, Genetik und Populationsdynamik auf Malta ein Bild machen wollten. Sie fanden, dass Malta den Zugvogelarten noch zu wenig Unterstützung gewährte. Mit einer jungen Frau, Professorin für Verhaltensforschung an einer Schweizer Universität, führte ich nach dem gemeinsamen Essen ein langes Gespräch in der Bar, und sie erzählte von der Bedeutung der Zugvögel für den Menschen, von den römischen »Auspizien – Vogelschauen«, aus denen man sogar die Chancen für die Kriegsführung abzulesen versuchte. »Erstaunlich, nicht wahr?«, sagte die junge Frau, die Verena hieß. »Ja, von den Klassikern kann man lernen!« Sie sprach auch von abergläubischen Vorstellungen, von Eulen, die man an Scheunentore nagelte, von dem Nachtigallgesang in der Dichtung. Ich hörte sie reden, witzig und klug, und dachte, ich mache nur ein Handwerk, sie sieht da tiefer hinein als ich. Wir redeten lange, nicht über uns, sondern über die Vögel, wir hatten eine gemeinsame Sprache gefunden, eine fiktive Ebene, auf der wir uns entgegenkamen. Und immer wieder erklang ihr helles, scharfes Lachen. Ich erzählte ihr von Peter, den sein Vater vor die Tür gesetzt hatte, weil er Tierarzt werden wollte. Sie hörte aufmerksam zu, rauchte eine Zigarette dabei – in der Bar war das noch erlaubt – und sagte schließlich:
    »Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde dem Tier nur das Recht zugestanden, für den Menschen da zu sein. Jetzt müssen wir lernen, nebeneinanderzuwohnen und füreinander Sorge zu tragen. Es gibt Menschen, die noch nicht bereit dafür sind. Heute bereiten sie uns noch Verdruss, doch zum Glück sind sie eine aussterbende Gattung!«
    Beim Abschied tauschten wir unsere E-Mail-Adressen aus. Wir würden in Kontakt bleiben.
    Ich war glücklich darüber, dass mein Beruf mir auch Freude bereiten konnte, und besprach das mit Adriana. Meine Zwischenberichte interessierten sie. Wir trafen uns ziemlich regelmäßig,
gingen einen Kaffee trinken oder aßen auch zusammen. Adriana hatte ein warmes, freundliches Herz, war aber nicht sentimental und als Politikerin ziemlich skrupellos.
    »Du scheinst dich in deinem neuen Beruf wohlzufühlen«, meinte sie. »Wir bekommen nur positive Rückmeldungen.«
    »Ich gebe mein Bestes.« Ich lachte ein wenig. »Manchmal denke ich laut. Und wenn ich müde bin und zu viel auf einmal sagen will, komme ich mit den Sprachen durcheinander.«
    »Du machst deine Sache ausgezeichnet.«
    Ich war Adriana dankbar; ich bemühte mich um sachliche Berichte, hielt mein Pathos, das ich geschmacklos fand, zurück. Doch einmal gestand ich ihr, dass mir bei den Besichtigungen und Erklärungen war, als empfände ich die Landschaft stärker, als nähme ich sie in mich auf. Dabei fielen mir immer wieder Erlebnisse von früher ein, aus meiner Kindheit und Jugend, der wichtigsten Zeit in meinem Leben. Ich entsann mich an alles, woran ich hing, so klar und genau, als sei es erst gestern geschehen. In meinem Kopf gingen das Eingebildete und Erlebte Seite an Seite. Warum ich Malta liebte? Bisher hatte ich nie darüber nachgedacht. Die nördliche Heimat meiner Mutter hatte mir hybride Energie

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