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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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meiner Kindheit. Ich suchte in den Immobilienangeboten und fand eine Wohnung in der Nähe unseres früheren Hauses, nur einige Querstraßen
weiter. Zweieinhalb Zimmer in einem modernen Bau, hell, funktionell, aber formschön, mit cremefarbigen Fliesen und Fenstern, die den Blick auf einen Meeresstreifen freigaben. Ich unterschrieb den Mietvertrag, kaufte einige Möbel, einen großen Spiegel, ein paar bunte Kissen, die ich am Boden verstreute, und zwei Stühle. Einen Esstisch brauchte ich nicht, ein Klapptisch gehörte bereits zur Kücheneinrichtung. Auf den Balkon, der eine schöne Rundform hatte, stellte ich Topfpflanzen aus dem Vorgarten meiner Eltern, einen jungen Olivenbaum, eine Azalee. Dazu einen kleinen Tisch, einen Korbsessel und einen Liegestuhl. Mutter gab mir ein altes Plakat, das eine Aufführung der »Tosca« ankündigte. Die Titelrolle sang die junge Renata Tebaldi. »Sag niemandem, dass ich dir das Plakat gegeben habe«, meinte Mutter dazu. Sie hatte es aus dem Fundus des kleinen Theatermuseums entwendet. »Zufällig haben wir davon noch ein zweites Exemplar.« In London hatte ich im Trödelladen die Reproduktion von einer Marine von Turner gefunden. Das Bild zeigte ein düsteres Segelschiff in einem roten Sonnenuntergang auf einem Gewässer von unergründlicher Tiefe. Aus mir unerfindlichen Gründen entsprach das Bild einer düsteren Stimmung in mir. Jetzt hing es vor mir, und ich betrachtete es oft, das Bild, das von Hitze, Trauer und Abschied genährt war. Sein wahres Wesen zeigte sich, wenn man lange genug den Blick auf das Schiff gerichtet hielt: Dann wurde es durchscheinend wie Kristall, und die Sonne sog es auf. Warum liebte ich Bilder, die nicht mitteilbar waren? Ich sah etwas – und es war etwas ganz anderes da. Etwas, das mich berührte.
    Ungefähr um diese Zeit stellte sich ein seltsamer Traum bei mir ein. Ich stand auf einer Klippe und sah auf das Meer herunter. Ich betrachtete ohne Angst die rollende Flut – der Felsen stand ja fest. Aber plötzlich verlor ich den Halt und stürzte in die von Licht verschleierte, glitzernde See. Es war mehr ein Schweben als ein Fallen, und gleichwohl ein vertikaler
Sturz, dicht vorbei an messerscharfen Klippen. Wie es in Träumen meistens vorkommt, war die Bildsequenz stumm. Nie hörte ich irgendein spülendes Geräusch. Ich fühlte auch keinen Aufprall: Die Wellen teilten sich, mein Gewicht zog mich nach unten, in unbekannte, grün-dunkle Tiefen. Ich versuchte die Luft anzuhalten, ich wusste, dass ich nicht atmen durfte, hörte ganz deutlich, wie ich mit den Zähnen knirschte. Ich fühlte mich wie ein Fisch, der im Ozean schwebt, ohne Gestern und ohne Morgen. Da war auch ein Bild von einem Gesicht, vermischt und verschmolzen mit Dunkelheit. Ich erinnerte mich auch nicht daran, ob das im Wasser schwebende Gesicht ein vertrautes oder ein unbekanntes war. Ich hatte kein Gefühl, ich spürte nichts, bis ich schlürfend Atem holte und mit einem Schauder erwachte. Ich hatte den Eindruck, dass mein Körper noch weit fort in der Dunkelheit war, und holte ihn mit Mühe zurück. Oft hatte ich Koliken im Bauch oder ein pelziges Gefühl auf der Zunge, bis ich in die Küche taumelte und mir einen Kaffee machte. Für gewöhnlich ging es mir danach besser, und ich schlief noch ein paar Stunden ruhig.
    Eines Tages, als ich bei Nachteinbruch vor der Tür stand und meinen Schlüssel suchte, sah ich vor dem Haus eine weiße Katze. Das Tier sah abgemagert und verwahrlost aus. Doch als die Katze mir entgegenblickte, fiel mir auf, dass sie ein grünes und ein blaues Auge hatte. Malta war voller streunender Katzen, die in der Sonne lagen und nachts in Mülltonnen wühlten, die meisten auffallend groß, mit langen Beinen und rostrotem Fell. Doch an dieser Katze war etwas, das mich fesselte – fast so, wie mich die Marine von Turner fesselte. Ich brachte ihr etwas zu fressen und stellte ihr einen kleinen Teller vor die Haustür. So ausgehungert sie auch war, die Katze fraß manierlich, wobei sie dann und wann mit ihrer gelenkigen Pfote ein Stückchen Fleisch heraussuchte, das sie mit besonderem Genuss verspeiste. Dann verschwand sie und hinterließ einen leeren
Teller. Doch am nächsten Abend zur gleichen Stunde war die Katze wieder da, und ich füllte ihren Teller. Ein paar Tage später folgte sie mir, als ich die Haustür aufschloss, sprang aber sofort wieder nach draußen, als ob der eigene Mut sie erschreckte. Am folgenden Tag aber begleitete sie mich die zwei Stockwerke

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