Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
Vom Netzwerk:
Mein Herz klopfte. Viviane! Ich konnte das Gefühl, das sie in mir auslöste, nicht deuten. Es war zugleich eine Freude, sie zu sehen, und ein unbegreiflicher Schmerz. Die Musiker schoben Gepäckwagen, Viviane hatte nur ihre Gitarre bei sich, das Monstrum aus dem Jahr 1917, das sie als Kabinengepäck auf dem Rücken trug. Diese Gitarre gab sie nie aus der Hand. Das Nötige trug sie in einer kleinen Tasche, die an einer Kordel um ihren Hals baumelte. Ich starrte sie an und
wunderte mich, wie sie es schaffte, mich immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Auch jetzt wusste ich nicht, wie ich ihre wunderliche Art bezeichnen konnte. Irgendwie erinnerte sie mich an ein Insekt, an einen Nachtfalter vielleicht. Ihr Haar war von einem ganz fahlen Rot, fast sandfarben, die Brauen waren es ebenfalls. Das Haar war fein, aber mit einem besonderen Lichtschimmer, und ihre Haut weiß wie Milch. Bei jedem Schritt balancierte sie die Arme ein wenig, tastete mit den Füßen, als ob sie Hände wären, um zu prüfen, ob der Boden fest war. Sie trug Leggins aus schwarzem Leder, ein rotes Top, einen ebenfalls schwarzen Perfecto mit klirrenden Reißverschlüssen. Ich ging ihr entgegen, sie beschleunigte leicht ihre unsicheren Schritte; schon umarmten wir uns. Sie war ganz locker, ganz weich, und roch nach einem Parfüm, das ich nicht kannte. Lavinias Parfüm, konnte das sein? Ihre Wange an meiner Wange war frisch, ja sogar kühl, und ich spürte den leichten Druck ihrer rotgeschminkten Lippen. Dann wich sie leicht zurück, ich sah ihre Augen, groß und leicht vorgewölbt, mit diesem Opal-hellen Schimmer.
    »Danke, dass du mich abholst. Geht es dir gut?« Ihre Stimme, ruhig und kühl, war längst nicht mehr die dünne Kinderstimme von einst, und doch lag etwas Bestimmtes, Gebieterisches in ihr, das ich von früher kannte.
    »Ich habe dich vermisst«, sagte ich.
    Sie lächelte, legte mir ihren dünnen Arm um die Taille.
    »Seitdem ich so viel reise, vermisse ich viele Menschen, und es werden immer mehr.«
    Sie betrachtete mich intensiv und sehr genau, wobei sie das Gesicht leicht hin und her drehte, mit einer lockeren, fast tierhaften Bewegung.
    »Ein bisschen müde?«
    Ich lächelte schwach.
    »Ach, fällt das so auf?«
    »Nur, wenn man ganz genau hinsieht.«

    Ich antwortete betont leichthin:
    »Du, zum Beispiel, siehst hinreißend aus. Ich weiß nicht, wie du das machst, bei all dem Stress.«
    Ihre roten Lippen teilten sich zu einem Lächeln.
    »Das kommt davon, weil ich die ganze Zeit schlafe. Ich schlafe im Bus, im Auto, in der Abflughalle, im Flugzeug, überall. Ich schlafe sogar im Stehen, wenn es nicht anders geht.«
    »Aber auf der Bühne, da schläfst du nicht?«
    Sie hatte ein ganz süßes Lächeln. Jeder Mann wäre dahingeschmolzen.
    »Nein. Die Bühne ist der einzige Ort, an dem ich hellwach bin.«
    Sie stellte mir ihre »Kerle« vor, junge Männer, schlecht rasiert, in trendigen Klamotten und mit Piercings in Augenbrauen und Ohren. Viviane nannte sie liebevoll beim Namen:
    »Adrian, Raphael, Tommy.«
    Sie begrüßten mich mit schlaffem Handschlag und sagten freundlich »Hello!«, bevor ihre schlurfenden Füße sie zum Zoll trugen, wo sie das Material abzuholen hatten. Viviane kam auch, füllte alle Papiere aus; sie tat es lächelnd, nahm sich Zeit, obwohl die Musiker noch die Bühne vorzubereiten, die ganze technische Infrastruktur aufzustellen hatten. Wegen der verspäteten Landung blieben ihnen nur zwei Stunden Zeit, wo sie üblicherweise drei benötigten.
    Endlich waren wir soweit. Wir gingen zum Wagen, der Chauffeur half uns dabei, das umfangreiche Gepäck einzuladen. Ich setzte mich neben Viviane, während die Musiker hinten Platz nahmen. Viviane hatte ihren Manager beauftragt,
    Zimmer im Castille zu reservieren, weil das Hotel in der Nähe der Hastings Gardens lag, wo sie auftrat. Auch hatte sie darauf bestanden, dass sie für ihre Show einen runden Platz wollte, mit einer Hausmauer im Rücken. Der Manager hatte das für sie arrangiert.

    »Heute bauen sie Rockpaläste, Fußballstadien, Diskos für 5000 Leute«, sagte Viviane. »Ich hasse das, die ganze Energie geht verloren. Ich will an Orten der Fantasie singen: in einem Garten, in einem Zelt oder mitten in der Stadt. Die Musik setzt Zeichen. Die Zuhörer sollen an einer Zeremonie teilhaben, zumindest empfinde ich das so. Verstehen sie es nicht, kann ich ihnen nicht helfen. Vielleicht fühlen sie etwas, und das ist schon o.k.«
    Sie saß neben mir, ihre Hände lagen

Weitere Kostenlose Bücher