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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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immer noch dachte, dass ein Junge, der ins Museum ging, zwangsläufig auch gut erzogen war. In Valletta war die Gesellschaft scharf umrissen, die Welt außerhalb ein blinder Fleck. Und alles, was mit Vernachlässigung und Armut zusammenhing, eine Sache der Sozialämter. Vater nahm ganz automatisch an, dass Giovannis Familie aus gleichwertigen Kreisen stammte, zumindest in intellektueller Hinsicht. Heute kommt mir dieser bürgerliche Dünkel sinnlos und provinziell vor.
Aber die Eigenliebe einer Gesellschaftsklasse ist groß, wobei mein Vater – auf seine Art – milde, tolerant und aufgeklärt war.
    Ich schwieg, während er die Tonfigur wieder aufnahm und betrachtete. Sein Ausdruck war jetzt anders, aufmerksam, genau beobachtend. Dann sah er auf die Uhr und gleich wieder auf mich, wobei er begann, seine verstreuten Papiere einzusammeln. Die Figur wickelte er wieder in das Taschentuch ein, suchte dann eine Schachtel, in die er sie sorgfältig legte.
    »Ich muss fort, wir haben eine Sitzung. Aber ich sehe Ralph beim Mittagessen und werde ihm die Figur zeigen.«
    Ich nickte, resigniert und betrübt. Da war nichts mehr zu machen.
    »Habt ihr noch mehr solche Sachen gefunden?«, fragte Vater, der gerade seine Mappe schloss.
    »Ein paar grüne Perlen.«
    »Und wo sind die?«
    Ich war erzogen worden, niemals zu lügen. Wurde ich in die Enge getrieben, suchte ich Ausflüchte und war darin ganz geschickt.
    »Noch unten im Loch.«
    Vater machte plötzlich einen gereizten Eindruck.
    »Ihr geht mit diesen Dingen wirklich sehr fahrlässig um!«
    Ich schwieg, das war viel besser. Vater bewahrte Geduld, schaltete seinen Computer aus.
    »Hast du die Stelle noch im Kopf?«
    Ich zog die Schultern hoch.
    »Doch, ich glaube schon.«
    Falls die heilige Puppe wertlos war, würde sich das Interesse der Erwachsenen sofort legen. Nach einer Weile verlieren alle Dinge an Dringlichkeit, Probleme lösen sich wie durch einen Schlag mit dem Zauberstab, und unser unterirdisches Traumland mochte unentdeckt bleiben. Und ich würde Giovanni die heilige Puppe zurückgeben, und er brauchte keine
Angst mehr zu haben, dass man sie ihm klaute oder zerschlug. Das wünschte ich mir so sehnlichst wie sonst nichts. Und so, wie ein Kleinkind an den Weihnachtsmann glaubt, war ich rundum davon überzeugt, dass sich alles für uns zum Guten wenden würde.
    Das Wesentliche an der ganzen Geschichte, die Tote, hatte ich mit keinem Wort erwähnt.

8. Kapitel
    D ie Toten, ach ja. Ich möchte hier vorgreifen und von Viviane erzählen, wie ich sie einige Jahre später in London wiedersah. Das war kurz nachdem Viviane ihre Rockband gegründet hatte und ich, nach beendeter Schulzeit, Naturschutzbiologie studieren wollte. Das Institut für Conservation Biology existierte erst seit ein paar Monaten und nahm noch Anmeldungen an. Ich hatte Viviane wissen lassen, dass ich kommen würde, um mich einzuschreiben. Vater, der mich ungern gehen ließ, hatte für mich im Internet die Adresse eines Studentenwohnheims ausfindig gemacht, das einen guten Ruf hatte. Weil ein Student gerade gekündigt hatte, fand ich dort im letzten Augenblick noch ein Zimmer. Ich dachte, dass Vater wohl zufrieden sein würde. Das Maß an Freiheit, über die ich verfügte, wurde mir noch von den Eltern gegeben. Bei Viviane, natürlich, war alles anders. Während ich heimlich über Zäune klettern musste, konnte sie schon als Kind tun und lassen, was sie wollte. Nun hatte sie mir eine Karte zu ihrem Konzert geschickt. Sie trat im Barbican Centre auf. Es war nur ein kleiner Saal, aber randvoll gefüllt mit Leuten aus der Rockszene, die alle kreischten, pfiffen und trampelten. Der Lärm machte mich taub, ich fühlte mich ganz erschlagen, aber Viviane war vollkommen in ihrem Element. Sie nahm die Bühne mit raumgreifenden Schritten in Besitz, hob die umgehängte Gitarre über ihren Kopf und wirbelte sie mühelos herum. Ich erlebte fasziniert, wie sie ihre Band mit Stampfen und Zurufen anfeuerte, wie sie ihren Körper beherrschte, sich wie
eine Schlange krümmte und drehte. Sie ließ sich von der Musik der Instrumente tragen, rief sie zurück und holte sie ein, wenn sie ihrer Stimme entflohen, entfloh ihnen selbst und ließ sich wieder einholen, um sich wieder mit ihr im Gleichklang zu vereinen. Sie trug eine Art Hemd aus Metallplättchen, die wie kleine Spiegel funkelten, dazu High Heels mit roten Sohlen. Ihr Haar war purpurn gefärbt. Sie hatte es geflochten und zu einer Art Krone aufgesteckt, eine

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