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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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ich ihn das erste Mal besuchte. Miranda war ganz einfach ein furchtsames Geschöpf, das sich an die Wand drückte, bis die unbequeme Lage sie dazu zwang zu reagieren. Zum Glück hatte ich Pass und Flugschein gut versteckt. Ich packte stur meinen Rucksack, und sie schwirrte wie eine Hornisse um mich herum. Ich hatte nur einen einzigen Gedanken im Kopf: Weggehen, so schnell wie möglich. Ich musste ja immer reifer sein, als ich hätte sein sollen. Glaubst du, dass Miranda mir jemals einen Gutenachtkuss gab? Nicht einmal im Traum! Ich packte also meine Sachen, und weil ich nicht mit ihr sprach, schloss sie sich am Ende im Klo ein. Baaaa! Das Böse stank noch abscheulicher als Mirandas Durchfall. Die nackten Wände, der
schmutzige Duschvorhang, der Boden mit seinen dunklen Flecken ekelten mich an. Ich wollte hier raus, raus aus dem Haus, raus aus den Bildern, weit weg von alldem, es musste jetzt schnell gehen. Ich wechselte hektisch meine Jeans, als Miranda wie eine Furie aus dem Klo kam. Auf dem Klo fiel ihr immer wieder etwas ein. ›Ich dulde nicht‹, schrie sie, ›dass du das Haus verlässt!‹ Sie lief zur Tür, knallte sie von außen zu und drehte den Schlüssel. Ich kam mir gefangen im Nichts vor, die Wände sahen aus, als stünden sie nicht mehr fest, als schrumpften sie zu einer Pappschachtel. Ich zögerte nicht lange: Mein Zimmer befand sich im ersten Stock, und unten wuchs Grünzeug. Ich warf meinen Rucksack aus dem Fenster, kletterte auf das Brett und sprang. Ich landete auf allen vieren, schürfte mir die Knie auf, aber das machte nichts. Ich rannte los, schleppte meinen Rucksack den Weg hinauf, bis zur Haltestelle, und erwischte in letzter Sekunde den Bus. Den Geruch hatte ich noch in der Nase. Rochen ihn die anderen Fahrgäste auch? Aber nein, alle waren ganz friedlich. Ich war nass geschwitzt, der Geruch schien an mir zu kleben. Er verzog sich erst, als ich im Flugzeug saß.«
    Vivane erzählte gleichmütig und bildreich wie einst. Mir kam der Gedanke, dass sie von sich selbst wie von einer anderen sprach. Draußen schoss das Wasser wie ein kleiner Strom schnurgerade den Rinnstein entlang. Die Regentropfen prasselten wie Kugeln, tanzten wirr und bunt im Schein der vielen Lichter. Der Scheibenwischer surrte sanft und hektisch. Das Haus befand sich in Kensington. Viviane erzählte, dass sie pünktlich den Gärtner und die Zugehfrau zahlte, die das Haus sauber hielt und das Silber putzte. Ihrem Großvater hatte sie ein Versprechen gegeben. Vivianes Pflichtbewusstsein lag in ihrer Erbmasse, aber die frühere Loyalität hatte eine Generation übersprungen: Miranda hatte sich nie darum geschert.
    Das Haus lag am Ende einer dunklen Straße. Der gut erhaltene Backsteinbau aus dem neunzehnten Jahrhundert war
von einem großen Garten umgeben. Nasse Glyzinien, schon halb entlaubt, fielen über eine Balustrade, deren Säulen sie fast verdeckten. Die Jalousien waren heruntergezogen, aber im Erdgeschoss brannte Licht. Viviane sagte, dass es auch eine Alarmanlage gab. Und die Zugehfrau hatte den Auftrag, jeden Morgen die Jalousien hochzuziehen, damit das Haus bewohnt aussah.
    Der Range Rover hielt vor einem Tor aus Schmiedeeisen. Viviane gab einen Code ein, die Flügel glitten auseinander. Die goldenen Spitzen der hohen Gitterstäbe funkelten. Viviane fuhr langsam in einen kopfsteingepflasterten Hof, in dem einige Ziersträucher in großen Betontöpfen standen. Während sich das Tor hinter uns von selbst wieder schloss, stellte Viviane den Motor ab. Die Scheinwerfer erloschen.
    »So, da wären wir!«, sagte Viviane.
    Wir rannten im Regen die paar Stufen hinauf bis zur Haustür. Viviane tippte einen zweiten Code, die Tür sprang mit leichtem Surren auf. Ich trat in eine holzgetäfelte Eingangshalle mit glänzendem Parkettboden. Eine weiße, leicht gewundene Marmortreppe führte nach oben. Daneben stand eine lebensgroße Statue, ebenfalls aus Marmor: Flora mit dem Füllhorn. In der Halle befanden sich ein überdimensionaler Schrank, ein paar Stühle. Der Schrank diente als Garderobe. Viviane reichte mir einen Holzbügel, der unsinnig schwer war.
    »Soll ich meine Schuhe ausziehen?«, fragte ich
    »Ja, wenn du willst. Ich gehe zu Hause immer barfuß.«
    Sie setzte sich, streifte ihre High Heels mit den roten Sohlen von den Füßen und massierte ihre Zehen.
    »Schrecklich, diese Schuhe! Sehen gut aus, aber man kriegt Hühneraugen.«
    Der Eingangsbereich gab die Sicht auf eine Folge weitläufiger Wohnräume frei. Der

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