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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Mittagessen sah sich Don Antonino seine Schulnoten an und prüfte, ob er Fortschritte machte. Danach gab es eine Belohnung, einen Spaziergang zumeist, und der Onkel zeigte ihm City Gate, Republic Street und die alten Gästehäuser des Johanniterordens, noble Bauten aus heroischen Zeiten, und auch die Kirchen und Kapellen, die wuchtigen Bastionen, die Denkmäler. Kürzlich war Jahrmarkt in Valletta gewesen. Sie waren mit der Menge gegangen, die sich zwischen den Buden drängte, es gab Musik, Karussells und eine Riesenschaukel. Don Antonino hatte Giovanni eine Eintrittskarte gekauft. Er nahm in der Schaukel Platz, die sich – wie ihm schien – immer höher in den Himmel hob. Giovanni wurde hochgeschleudert und wieder zurück in die Tiefe, spürte, wie sein Körper dem Rhythmus folgte, ein Hin- und Herschweben in einem Raum voller zuckender bunter Lichter,
bis die Schaukel ihren Schwung verlor und langsam zu Boden sank. Giovanni erzählte, dass er ein paar Augenblicke brauchte, um sich aus seiner glückseligen Trunkenheit zu lösen, und danach kaufte ihm der Onkel in Zucker geröstete Mandeln, und sie setzten sich auf eine Steinbank in dem Upper Barrakka Garden und sahen in der langsam einbrechenden Nacht die Lichter im Hafen blinken. Onkel Antonino wurde auch nicht müde, ihm Geschichten zu erzählen. Oh ja, es waren immer erbauliche Geschichten, aber Onkel Antonino, der so gut von der Kanzel predigte, wusste auch, wie man auf bewegende Art erzählte. Zum Beispiel, wie der Apostel Paulus die Ureinwohner Maltas zum wahren Glauben bekehrt hatte. Bevor Jesus Christus zu seinem Vater in den Himmel ging, hatte er den Jüngern den Auftrag erteilt, allen Menschen die frohe Botschaft zu verkünden. Folglich reiste der Apostel nach Rom, doch ein Sturm warf sein Schiff auf die maltesische Küste. Hirten gaben dem Apostel Obdach. Es sprach sich bald herum, dass ein heiliger Mann mit den Hirten in einer Höhle lebte. Immer mehr Menschen kamen zu ihm, brachten ihm Geschenke. Er segnete sie und erzählte von Gott. Die Einwohner wandten sich von ihren Riesengötzen ab, die in einem Kreis von Steinpfeilern standen. Schrecklich sahen diese halb nackten Götzen aus, so furchtbar bemalt, dass die Menschen von ihrem Anblick blind wurden. Sogar heute, sagte Onkel Antonino, siehst du noch an manchen Orten einen Teil ihrer steinernen Schurze, ihre plumpen Waden und ihre riesigen Füße, denn die Statuen waren so gewaltig, dass die Menschen sie nicht vollkommen fällen konnten. Aber sie schlugen ihnen die Köpfe ab, und der allwissende Gott bedeckte die Überreste im Laufe der Zeit mit Erde.
    Mir schien, dass Giovanni fast so gut wie der Onkel erzählte. Ich fieberte richtig mit, obwohl mich der Apostel nicht besonders interessierte. Und ich musste an die kleine Schlafende bei mir in der Schublade denken und sagte:

    »Aber die Figur, die du gefunden hast, stammt die nicht auch aus dieser Zeit? Könnte ja sein!«
    Er nickte zögernd. Ich sagte:
    »Und sie sieht überhaupt nicht furchtbar aus, sondern lieb.«
    Giovanni sah an mir vorbei.
    »Onkel Antonino würde sie trotzdem nicht mögen.«
    Ich kicherte.
    »Mag er keine dicken nackten Damen?«
    Giovanni wurde rot.
    »Nein, überhaupt nicht!«
    Ich zupfte ein wenig an dem Mantel der Besserwisserei, den der Onkel sich angemaßt hatte.
    »Aber die Heiligen, sind die nicht nackt?«
    »Nicht ganz.«
    »Diese Dame ja auch nicht.«
    »Ja, aber…« Giovanni bemühte sich redlich, den Onkel zu verteidigen. »Die heiligen Frauen halten sich ein Tuch oder eine Hand davor. Die Dame ist oben ganz nackt und liegt einfach da, als ob es ihr nichts ausmachen würde.«
    »Das wird es wohl sein«, bemerkte ich, »was er nicht mag.« Wir tauschten bedeutungsvolle Blicke und fingen in unwiderstehlicher Heiterkeit an zu prusten. Für gewöhnlich gibt man Kindern zu verstehen, dass sie weniger wissen als die Erwachsenen. Und die Kinder rächen sich, indem sie vorgefasste Neigungen und Meinungen spitzfindig entlarven. Aber nach wie vor hatte Giovanni Angst, dass die Schlafende in falsche Hände geriet. Im Gegensatz zu mir, der völlig Arglosen, war er sich dunkel der Gefahren bewusst, die ihr von Seiten religiöser Moralvorstellungen oder von der Geldgier der Menschen drohen konnten. So kam es, dass die heilige Puppe noch lange in der Schublade hätte liegen können, wenn meine Mutter nicht ein paar Tage später beim Aufräumen meines Zimmers die Schlafende aus dem Taschentuch gewickelt hätte, wobei sie ihr fast

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