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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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nie, dass alles, was wir sagen, denken und tun, nur für uns bestimmt ist. Kein Fremder darf sich einmischen!«
    »Auch die Eltern nicht?«, fragte Peter mit einer bangen Betonung der Frage.
    »Die Eltern schon gar nicht, sonst weiß es bald jeder«, sagte Vivi in befehlendem Tonfall, worauf er erleichtert nickte.
    Giovanni sagte zögernd:
    »Ich werde Onkel Antonino auch nichts davon erzählen. Sogar der Großmutter nicht.«
    Vivi antwortete geringschätzig.
    »Ja, die verstehen nichts davon. Alessa?«
    »Stumm wie ein Fisch!«, versprach ich.
    Vivi runzelte die Brauen.
    »Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Alle grinsten, und ich hätte Vivi am liebsten verprügelt. Sie sah mich drohend an. »Das hier ist wichtig, merk dir das! Und jetzt rührt euch nicht mehr und schwört es ganz laut, damit alle Toten es hören!«
    »Wir schwören es«, riefen wir einstimmig, und ein paar Atemzüge vergingen, bevor das Echo unseres Schwurs in der Dunkelheit verhallte. Ich fühlte Giovannis warme, etwas klebrige Handfläche, das Pochen seiner unsichtbaren Adern. Wenn das, was uns verband, körperliche Anziehungskraft war, so hatte genau dort alles begonnen. Aber damals schüchterte uns Vivis feierliche Rede, ein genussreicher Augenblick möglicherweise für sie, dermaßen ein, dass wir uns wie hypnotisiert ihrer Führung anvertrauten. Und als völlige Stille einkehrte, nickte Vivi ganz langsam, bevor sie sagte:

    »Und jetzt müssen wir noch einen Namen haben, damit wir wissen, wer wir sind. Ein Name, den wir nie vergessen werden.«
    Ein Name, ja, der fehlte uns noch! Wir tauschten Blicke, jeder dachte angestrengt nach. Dann bewegte sich Giovanni, seine Hand zuckte leicht in meiner, bevor er mit belegter Stimme das Schweigen brach.
    »Die Kinder der schlafenden Göttin. Wäre das ein guter Name?«
    Seine Bescheidenheit und sein Verlangen, es allen recht zu machen, waren so eingewurzelt, dass er nur gehemmt sprach, eindringlich und unsicher. Dabei zog er den Kopf leicht an, als ob er Angst vor sich selbst hätte, aber keiner lachte. Vivi blickte auf, mit ihrem Gesicht, das Ablenkung und gleichsam Konzentration ausdrückte. Schließlich lächelte sie. Ich war bestürzt von der fast erwachsenen Zuneigung, die sich in ihrem Lächeln zeigte.
    »Ja, das ist ein schöner Name! Aber wir dürfen ihn nie aussprechen, wenn Fremde dabei sind.«
    Wir versprachen erneut, das Geheimnis zu bewahren. Alle Kinder haben Freude an geheimen Abmachungen, an Verschwörungen und Riten. Für sie ist alles Magie. Weil sie ungemein stolz darauf sind, deuten sie dann und wann an, dass sie etwas Verborgenes hüten, erleben voller Genugtuung, wie die anderen es zu erraten versuchen. Dabei ist es notwendig, dass ihr Mund verschlossen bleibt, triumphierend in Hochmut und Entzücken. Als sei Schweigen das wesentliche Requisit, ohne welches die Zauberwelt zersplittert. Und es dauert lange, manchmal ein halbes Leben; erst dann, nachträglich, werden sie fähig, darüber zu lächeln.
    Doch Vivi hatte eine besondere Vorstellung davon, was ein richtiges Einswerden sein sollte, eine Besonderheit, die das Herkömmliche nicht ertrug.
    »Und noch etwas. Unseren Namen sollen nur die Toten
kennen. Wir brauchen nämlich ihre Hilfe. Giovanni hat sein Geschenk nicht haben wollen, und Alessa hat gelogen.«
    Das war jetzt kein richtiger Triumph mehr, nur so halb und halb. Ich ärgerte mich gehörig dabei.
    »Mensch, hör auf! Ist das wirklich so schlimm?«
    Sie zeigte zum ersten Mal Unsicherheit.
    »Ich … ich weiß es nicht. Alles ist dunkel …«
    Peter, der sich in solchen Augenblicken immer etwas überdreht benahm, wollte einen Witz reißen.
    »Willst du die Taschenlampe?«
    Vivi blinzelte und sah ihn an, als ob sie etwas ganz Naheliegendes sah, etwas direkt vor ihrer Nase, was Peter nicht sehen konnte. Dann baute sie sich vor ihm auf.
    »Still, du Idiot! Persea hört alles.«
    Peter lachte noch ein bisschen, schlug eine Hand vor seinen Mund und lachte nicht mehr. Vivi holte aus und knallte ihm die Faust ins Gesicht, dass ihre Fingerknöchel zwei symmetrische Striemen auf der blassen Haut hinterließen. Giovanni und ich standen schweigend da, ehrfürchtig.
    Das war eben Vivi. Sie hatte verrückte Tagträume und mochte es nicht, wenn man sie deswegen beleidigte.

12. Kapitel
    A uf Rügen, im Schatten des alten Waldes, war es fast immer Peter, der sprach.
    Peter erinnerte sich an alles, an jede Einzelheit, sodass ich mich oft fragte, woher das kam, aber es hing wohl mit

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