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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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seinem Charakter zusammen.
    »Ich danke dir, Peter.«
    »Wofür?«
    »Dass du in deinem Kopf so gut Buch führst. Bei mir liegt alles in Bruchstücken herum. Ein einziges Chaos.«
    Er zwinkerte mir zu, was seinem Gesicht viel Charme gab.
    »Ich bin eben sehr methodisch.«
    »Ja, ich weiß«, seufzte ich. »Beneidenswert!«
    Er nahm seine Brille ab, pustete auf die Gläser und setzte sie wieder auf. Die vergangenen Ereignisse waren Ursache für gesteigerte Gefühle gewesen, solche, die man nur mit Mühe hinter sich bringt. Es war noch nicht lange her, dass ich versuchte, Peter richtig einzuschätzen. Früher hatte ich kaum besondere Merkmale an ihm entdeckt, abgesehen davon, dass er schüchtern war und dies zu verbergen suchte. Jetzt, da ich den Erwachsenen vor mir hatte, ergab sich ein neuer Blickwinkel, ein neuer geistiger Gehalt für diesen übersensiblen, eigenwilligen Menschen. Kein Wunder, dass ich Peter immer übersehen hatte; meine Augen waren nur auf Giovanni gerichtet gewesen. Hätte man mich gefragt, ob Peter klein oder groß gewesen war, welche Augenfarbe er hatte oder welche Brille er trug, dann wären es gerade diese selbstverständlichen Details gewesen,
an die ich mich am schlechtesten erinnern konnte. Erst jetzt sah ich seine Augen hinter den dünnen Gläsern. Ich will damit sagen, dass ich sie wirklich wahrnahm. Warme, braune Augen, mit einen vergoldeten Schimmer. Schöne Augen, mit langen Wimpern, auf die eine Frau neidisch sein konnte. Es war auch das erste Mal, dass wir offen über Giovanni sprachen. Über unsere Gefühle zu ihm. Ich merkte, dass wir beide unglücklich waren, innerlich zerrissen, weil er fort war, und uns mit der gleichen Leidenschaft nach ihm sehnten. Trotzdem versteifte ich mich, als Peter sagte:
    »Ich weiß noch genau, wie du ihn nanntest.«
    »Wie ich ihn nannte?«
    Peter starrte an mir vorbei.
    »Ja. Schwalbenflügel. So hast du ihn genannt.«
    Meine Wangen wurden heiß. Ich konnte es auch heute schlecht ertragen, dass er sich einmischte.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich mechanisch.
    Er zog die Schultern hoch.
    »Ein- oder zweimal hast du ihn so genannt, als wir dabei waren.«
    »Kann schon sein.«
    »Ist es dir unangenehm, davon zu reden?«
    Die Frage klang zärtlich. Über dem Wald kreisten Vögel. Schwalben? Ich wandte die Augen ab.
    »Es hat ja keinen Zweck mehr.«
    »Er könnte zurückkommen.«
    Ich fuhr leicht zusammen.
    »Ach, glaubst du das wirklich?«
    Er lächelte mich an, ein kleines Lächeln, das in seinen Mundwinkeln begann und immer größer würde.
    »Es könnte ja sein.«
    Giovanni band uns in Sehnsüchten, in unausgesprochenen Begierden. Es war ein Zeitabschnitt unserer Entwicklung gewesen, zu komplex, zu reichhaltig für unser Denken.

    In der freien Natur zu sprechen fiel uns leichter als in einem geschlossenen Raum. Es war, als ob der Wind die Worte einer Ewigkeit übergab, die immer in Bewegung war. Als Kind hatten wir uns unter der Erde aufgehalten, in der Welt der alten Gräber, abseits der Welt, die voller Licht, Stimmen und Lärm war. Vivis Vertrautheit mit den Verstorbenen hatten wir nicht als morbide empfunden, sondern als vollkommen natürlich. Und es war eine Tatsache, dass alles, was wir im Leben an Wichtigem erfahren hatten, von dort zu kommen schien. Galt die Erde früher nicht als Symbol für den Mutterschoß? Wurde die Überwinterung der Saatkörner im Dunkeln nicht mit der Entwicklung des Kindes im Mutterleib verglichen? Und es war durchaus logisch, dass man die Verstorbenen in unterirdischen Kammern bestattete und Nischen in den Felsen schlug, um Platz zu machen für die Toten, die noch kommen würden. Später dienten die unterirdischen Gänge den Christen als Zuflucht, als die römischen Soldaten sie jagten. Und noch später fanden Schäfer in solchen Grotten Unterschlupf; hier lagerten sie ihre Vorräte. Auf diese Weise wurden die Plünderer nicht fündig. Dass hier Gräber waren, mochten sie nicht einmal mehr gewusst haben. Wie Hunde, die ihre Knochen eingraben und nicht wiederfinden, weil sie nicht über die Gabe verfügen, sich die Plätze zu merken. Aber woher konnte Vivi das wissen? Jemand musste es ihr gesagt haben. Alexis vielleicht?
    »Hat sie noch ihre Anfälle?«, fragte Peter
    »Sie hat die Sache im Griff. Sagt sie jedenfalls. Sie konnte sogar den Führerschein machen.«
    »Wie redet sie jetzt?«
    »Ganz normal eigentlich.«
    »Normalität ist ein sehr willkürlicher Zustand.«
    »Hör auf, Peter!« Ich stieß ihn mit dem

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